Seit Ukraine-Krieg mehr Anträge auf Kriegsdienstverweigerung

Seit Ukraine-Krieg mehr Anträge auf Kriegsdienstverweigerung
Anträge werden in der Mehrheit nicht von Soldaten gestellt
Seit dem Krieg gegen die Ukraine ist die Zahl von Kriegsdienstverweigerern sprunghaft angestiegen. Es sind aber nicht unbedingt Soldaten, die Anträge stellen. Offenbar möchten viele Zivilisten sichergehen, nicht fürs Militär herangezogen zu werden.

Berlin (epd). Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ist die Zahl der Anträge auf Kriegsdienstverweigerung deutlich gestiegen. Im Jahr 2022 hat sie sich auf 951 fast verfünffacht, wie das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben am Freitag dem Evangelischen Pressedienst (epd) bestätigte. 2021 gab es demnach 201 Anträge. Zuerst hatte das „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Freitag) berichtet. Die Anträge kommen aber in der Mehrzahl nicht von aktiven Soldatinnen und Soldaten.

Wie das Bundesamt weiter mitteilte, werden die Begründungen für die Anträge auf Kriegsdienstverweigerung nicht ausgewertet. Der Ukraine-Krieg könne aber ein Grund für den Anstieg der Zahlen sein, sagte ein Sprecher. 208 Anträge von Kriegsdienstverweigern wurden nach seinen Worten im vergangenen Jahr anerkannt. Die Verfahren können sich oft über mehr als ein Jahr hinziehen. Der Kriegsdienst kann aus Gewissensgründen verweigert werden. Diese müssten plausibel und nachvollziehbar sein, sagte der Sprecher.

Antragsteller sind aber nur in der Minderheit aktive Soldatinnen und Soldaten. Auch Reservisten und Ungediente könnten einen Antrag stellen, erläuterte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums am Freitag in Berlin. Deren Anträge machten 2022 nach seinen Angaben die Mehrheit aus, insgesamt mehr als 850. Fast 600 Anträge habe es von Ungedienten gegeben.

Der Geschäftsführer der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden, Max Burggraf, sagte dem epd, dass auch bei seiner Organisation sich seit dem Ukraine-Krieg vermehrt Menschen beraten ließen, die Angst davor hätten, als Reservisten oder Ungediente für die Bundeswehr herangezogen zu werden. Von März bis Dezember habe sein Team 171 Beratungsgespräche, in denen es um Kriegsdienstverweigerung ging, geführt. Nur 38 davon waren mit aktuellen Bundeswehrangehörigen.

„Die Größenordnung aktiver Soldatinnen und Soldaten, die sich an uns wenden, hat sich nicht verändert“, sagte er. Vielmehr gebe es in der breiten Bevölkerung ein Nachdenken über die Konsequenzen des Krieges, sagte er. Dadurch gebe es nun auch Menschen, die „als politisches Symbol“ einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellen.

Auch aus der evangelischen Militärseelsorge hieß es am Freitag, dass zumindest im ersten Halbjahr 2022 das Thema Kriegsdienstverweigerung keine größere Rolle als sonst gespielt habe. Aktive Soldatinnen und Soldaten, die den Kriegsdienst nachträglich verweigern wollen, sind nach Burggrafs Erfahrung zufolge oft Menschen, die durch Werbekampagnen der Bundeswehr rekrutiert wurden und dann feststellen, dass sie eine falsche Vorstellung vom Dienst hatten.

Die Organisation „Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen“ forderte für sie einen einfachen Ausweg aus der Armee. Viele der heutigen Bundeswehr-Angehörigen seien mit Werbeversprechungen in die Armee gelockt worden, die mit der Realität nichts zu tun hätten, sagte der Politische Geschäftsführer Michael Schulze dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. Nun seien viele unzufrieden.