Studie: Kohle und Öl ruinieren CO2-Bilanz 2022

Studie: Kohle und Öl ruinieren CO2-Bilanz 2022
Deutschland hat 2022 laut Studie wieder das jährliche Klimaziel verfehlt. Das liegt vor allem am Verkehrssektor. Auch die höhere Kohle-Verstromung hat Einspareffekte beim CO2-Ausstoß zunichtegemacht.

Berlin (epd). Deutschland hat einer Studie zufolge im Jahr 2022 seine Klimaziele wieder nicht erreicht. Die Denkfabrik Agora Energiewende veröffentlichte am Mittwoch in Berlin eine Auswertung zum Energiejahr 2022, wonach der Treibhausgas-Ausstoß trotz eines geringeren Energieverbrauchs nicht zurückgegangen ist. Ein verstärkter Einsatz von Kohle und Öl habe die Emissionsminderungen durch Energieeinsparungen zunichtegemacht, hieß es. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nannte als „Sorgenkind“ den Verkehrsbereich.

Deutschland hatte seine Klimaziele zuletzt im Jahr 2020 erreicht: Die CO2-Emissionen gingen damals gegenüber 1990 um knapp 41 Prozent zurück. Grund waren vor allem die Lockdowns zu Beginn der Corona-Pandemie. 2021 stieg der Treibhausgasausstoß wieder deutlich an - die Bereiche Verkehr und Gebäude verfehlten die gesetzlich festgelegten Sektorziele.

2022 haben der Verkehrs- und Gebäudesektor die Klimaziele laut der aktuellen Studie erneut verpasst. Der Gebäudebereich habe das Ziel um fünf Millionen Tonnen überzogen, der Verkehrsbereich um elf Millionen Tonnen. Die Bereiche Energiewirtschaft, Industrie, Land- und Abfallwirtschaft haben den Angaben zufolge ihre Ziele wiederum eingehalten.

Der Direktor Deutschland bei Agora Energiewende, Simon Müller, bezeichnete es als „Alarmsignal im Hinblick auf die Klimaziele“, dass die CO2-Emissionen „auf hohem Niveau“ stagnierten, trotz eines deutlich niedrigeren Energieverbrauchs von Haushalten und Industrie. Die Studie zeigt, wie im Energiebereich vermehrt auf Kohle-Verstromung gesetzt wurde, weil infolge des Ukrainekrieges Ersatz für russisches Gas nötig war. Außerdem legte der innerdeutsche Flugverkehr massiv zu: Beim Absatz von Flugkraftstoffen wurde eine Zunahme um 44 Prozent festgestellt. Beim Autoverkehr stieg die Nachfrage nach Benzin leicht an.

Der Ausstoß von Kohlendioxid stagnierte den Berechnungen zufolge insgesamt bei rund 761 Millionen Tonnen. Die Emissionsminderung 2022 habe damit im Vergleich zu 1990 bei knapp 39 Prozent gelegen. Das Reduktionsziel von 756 Millionen Tonnen CO2 sei um fünf Millionen Tonnen knapp verfehlt worden.

Dabei habe der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch wegen eines guten Wind- und Sonnenjahres einen neuen Höchstwert von 46 Prozent erreicht. Wegen massiver Preissteigerungen bei Erdgas und Strom sowie günstigem Wetter sei zudem der Energieverbrauch auf den tiefsten Stand im wiedervereinigten Deutschland gesunken. Die Denkfabrik fordert, in diesem Jahr müsse die Ampel-Koalition die Trendwende hin zu erneuerbaren Energien schaffen, um sowohl Klimaziele als auch Energiesicherheit zu erreichen.

Diese Einschätzung unterstützte die Energie-Ökonomin Claudia Kemfert. Die Expertin sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), die erneuerbaren Energien seien deutlich billiger als fossile Brennstoffe, könnten teure Energie-Importe ersetzen und so für Wohlstand sorgen.

Wirtschafts- und Klimaschutzminister Habeck erklärte derweil mit Blick auf die Studie: „Erst einmal sind alle Zahlen mit Vorsicht zu genießen, die offizielle Treibhausgasbilanz legt das Umweltbundesamt Mitte März vor.“ Dennoch räumte er „Handlungsbedarf“ gerade im Verkehrsbereich ein. „Alle bisher vorgesehen Maßnahmen reichen nicht, um hier die große CO2-Lücke zu schließen.“ Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte im vergangenen Sommer ein Sofortprogramm zur Minderung der Treibhausgase im Verkehrssektor vorgelegt, das Fachleuten zufolge aber den gesetzlichen Anforderungen zum Klimaschutz nicht gerecht wird.