Karlsruhe: Kein Schadenersatz für künstliche Ernährung

Karlsruhe: Kein Schadenersatz für künstliche Ernährung

Karslruhe (epd). Hinterbliebene können keine Schadenersatzansprüche für das verlängerte Leiden eines künstlich ernährten und zwischenzeitlich verstorbenen demenzkranken Angehörigen geltend machen. Weder enge Verwandte noch Erben können wegen einer Verletzung von „höchstpersönlichen Rechten“ des Verstorbenen Schmerzensgeld gerichtlich einfordern, wie das Bundesverfassungsgericht in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss entschied (AZ: 1 BvR 1187/19).

Konkret ging es um einen schwer demenzkranken und im November 2011 verstorbenen Mann. Dieser lebte seit 2006 in einem Pflegeheim. Gut fünf Jahre lang wurde er mit einer Magensonde künstlich ernährt. Da keine Patientenverfügung vorlag und er zu einer Kommunikation mit anderen Personen kaum fähig war, konnte sein Wille über die Fortsetzung der künstlichen Ernährung nicht geklärt werden.

Nach dem Tod des Pflegebedürftigen forderte der in den USA lebende Sohn vom behandelnden Hausarzt seines Vaters Schmerzensgeld und Schadenersatz für Behandlungs- und Pflegekosten, insgesamt 150.000 Euro. Die vom Arzt veranlasste künstliche Ernährung habe das Leben seines Vaters nur noch sinnlos verlängert und das Leiden verlängert, argumentierte der Sohn.

Der Bundesgerichtshof (BGH) lehnte den Anspruch mit Urteil vom 2. April 2019 ab (AZ: VI ZR 13/18). Die bei dem Pflegebedürftigen veranlasste lebensverlängernde Maßnahme sei kein „Schaden“, der Schadenersatzansprüche auslösen könne. Es sei nicht klar, ob der Arzt seine Pflichten verletzt habe. Die Menschenwürde und das Recht auf körperliche Unversehrtheit verböten es, das Leben - „auch ein leidensbehaftetes Weiterleben“ - als Schaden anzusehen.

Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde des Sohnes hatte keinen Erfolg. Bei den Grundrechten auf Leben und körperliche Unversehrtheit sowie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht handele es sich um „höchstpersönliche Rechte“, die nur der Betroffene geltend machen könne. Nach dessen Tod könnten enge Angehörige oder Erben diese daher nicht einfordern, erklärte das Bundesverfassungsgericht.

Ob allerdings zu Lebzeiten Schadenersatzansprüche bestehen können, wenn entgegen dem Willen des Patienten lebensverlängernde Maßnahmen durchgeführt werden, habe der BGH offengelassen, hieß es in der Entscheidung.