Barmer-Pflegereport: Pflegeheime sind weiterhin Corona-Hotspots

Barmer-Pflegereport: Pflegeheime sind weiterhin Corona-Hotspots
Während über weitere Lockerungen in der Corona-Pandemie gesprochen wird, haben die Menschen, die in Pflegeheimen leben und arbeiten, immer noch ein hohes Risiko, krank zu werden oder zu sterben. Der Barmer-Pflegereport mahnt zur Vorsicht.

Berlin (epd). In den Pflegeheimen und beim Pflegepersonal ist die Corona-Pandemie keineswegs überwunden. Das geht aus dem aktuellen Barmer-Pflegereport 2022 hervor, der am Dienstag in Berlin veröffentlicht wurde.

In diesem Jahr sind danach viel mehr Pflegekräfte an Covid-19 erkrankt als in den beiden ersten Jahren der Pandemie. Die Spitzenwerte der Covid-19-Erkrankungen wurden im März und Juli festgestellt. Im März kamen 158 Krankschreibungen auf 10.000 Pflegekräfte und damit 14 Mal so viele wie im Vorjahresmonat und mehr als zu jedem anderen Zeitpunkt in der Pandemie. Im Juli wurde der zweithöchste Wert gemessen.

In den ersten beiden Wellen Anfang 2020 und im Winter 2020/2021 waren die Krankschreibungen beim Pflegepersonal etwa fünfmal so hoch wie bei den Beschäftigten in anderen Wirtschaftszweigen. In der dritten und vierten Welle glichen sich die Zahlen beim Pflegepersonal dann dem allgemeinen Krankenstand bei den Beschäftigten in Deutschland stärker an.

Der Barmer-Vorstandsvorsitzende Christoph Straub sagte, die Entwicklung überrasche „in ihrem enormen Ausmaß“. Während die Sicherheitsmaßnahmen insgesamt immer weiter heruntergefahren würden, sei für die Pflegeheime weiterhin ein Corona-Konzept mit Augenmaß notwendig, sagte Straub. Die Abstands- und Hygiene-Regeln müssten eingehalten werden. Es komme darauf an, dass Pflegekräfte und Pflegebedürftige möglichst glimpflich durch diesen Winter kämen.

Der Bremer Pflegewissenschaftler Heinz Rothgang sagte mit Blick auf die Impfpflicht für das Personal, die zum Jahresende auslaufen soll, man müsse versuchen, die Pflegekräfte vom Nutzen der Impfungen zu überzeugen, aber nicht weiter auf Zwang setzen.

Wie stark Corona in den Heimen gewütet hat, macht der Report ebenfalls zum Thema: Auf dem Höhepunkt der ersten und auch der zweiten Corona-Welle waren 50 bis 60 Prozent der Verstorbenen stationär gepflegte Menschen. Ende der vierten Welle, im Dezember 2021, waren es noch 30 Prozent. Rothgang rechnete vor, dass 45 Prozent der Menschen, die bis Ende 2021 mit einer Covid-Infektion gestorben sind, Heimbewohnerinnen und Heimbewohner waren. Von Januar 2020 bis Dezember 2021 sind Rothgang zufolge in den Pflegeheimen 155.000 Menschen mehr gestorben als nach den Sterbeziffern der Jahre 2017 bis 2019 zu erwarten war. Dass die Sterbezahlen in der vierten Welle trotz höherer Infektionszahlen gesunken seien, sei den Impfungen zu verdanken, sagte Rothgang. Zudem sei das Virus in der Omikron-Variante nicht mehr so gefährlich.

Offenbar als Reaktion auf die hohen Todeszahlen ist 2020 die Zahl der Pflegebedürftigen, die in ein Heim gezogen sind, deutlich zurückgegangen. Im Mai 2020 wechselten bundesweit 17.000 Menschen aus der ambulanten in die stationäre Pflege, wogegen es im Frühjahr 2018 und 2019 jeweils über 25.000 Personen waren. Das entspricht einem Minus von einem Drittel. Inzwischen hat sich die Inanspruchnahme von Heimplätzen wieder auf dem früheren Stand eingespielt.

Der Pflegereport gibt auch Auskunft darüber, wie sich die Maßnahmen in der Pandemie finanziell ausgewirkt haben. Rothgang zufolge haben der Rettungsschirm für Einrichtungen und Pflegedienste sowie die Corona-Tests und die Pflegeprämien den Etat der Pflegeversicherung mit 9,2 Milliarden Euro zusätzlich belastet, wovon der Bund vier Milliarden Euro ausgeglichen hat. Für Ende dieses Jahres rechnet der Report mit einem Defizit der Pflegeversicherung von rund sechs Milliarden Euro. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 hatte die Pflegeversicherung Einnahmen von 52,5 Milliarden Euro und Ausgaben von 53,8 Milliarden Euro.