Guterres: Die Welt brennt und ertrinkt vor unseren Augen

Guterres: Die Welt brennt und ertrinkt vor unseren Augen
Der Weltklimagipfel kommt in die entscheidende Phase. Aber im Streit um den Umgang mit klimabedingten Schäden und Verlusten geht es nur in Trippelschritten voran. Der UN-Generalsekretär appelliert in einer Brandrede an die verhandelnden Staaten.

Scharm el Scheich (epd). Angesichts stockender Verhandlungen bei der Weltklimakonferenz hat sich UN-Generalsekretär António Guterres mit einer Brandrede an die Delegierten gewandt. Das Ende des Gipfels sei bereits in 24 Stunden vorgesehen, „und die Parteien bleiben bei einer Reihe wichtiger Fragen gespalten“, sagte er am Donnerstag im ägyptischen Scharm el Scheich: „Die Welt brennt und ertrinkt vor unseren Augen. Ich fordere alle Parteien auf, zu zeigen, dass sie das sehen - und begreifen.“

Es gebe einen Vertrauensverlust zwischen Nord und Süd sowie zwischen Industriestaaten und Schwellenländern, stellte er fest. Es sei aber nicht die Zeit, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Gegenseitige Schuldzuweisungen seien ein Rezept für gegenseitig sichergestellte Zerstörung. Er rief die verhandelnden Staaten auf, ein klares Signal zu senden, dass die Stimmen jener, die sich an den Frontlinien der Krise befänden, „endlich gehört werden“. Nun sei ein Moment für Solidarität.

Streit gibt es vor allem über das Thema „Schäden und Verluste“, das in diesem Jahr erstmals auf die Agenda des Klimagipfels kam. Die Entwicklungsländer pochen auf einen zentralen Fonds, über den sie Zugriff haben auf Gelder, mit denen sie auf Zerstörungen und Katastrophen infolge der Erderwärmung reagieren können. Die Industriestaaten favorisieren wiederum einen Mix aus bereits bestehenden und neuen Maßnahmen, darunter Versicherungen.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) forderte zudem die Beteiligung aller Klimasünder an den Hilfen für arme Länder. Wenn jetzt ein neues Instrument für diese Schäden und Verluste geschaffen werde, dann dürfe das nicht nach den Realitäten von vor 40 Jahren gebaut werden, sondern für die Realitäten der nächsten 40 Jahre.

„Es stimmt: Wir in Europa und in Nordamerika als Industriestaaten tragen mit unserem auf Fossilen aufgebauten Wohlstand die Verantwortung für die Klimaschäden der jüngeren Vergangenheit und auch die meisten der Gegenwart“, sagte die Grünen-Politikerin. Aber alle großen Emittenten von heute trügen die Verantwortung für die Klimaschäden der Zukunft. Alle Staaten könnten jetzt zeigen, dass sie zu mehr Ambition und mehr Solidarität bereit seien, fügte sie hinzu, ohne ein Land zu nennen.

Im Interview mit RTL/ntv wurde sie konkreter und sagte, dass China für die Schäden der Zukunft mit aufkommen müsse, „wenn sie nicht bereit sind, ihre eigenen Emissionen in Zukunft radikal herunterzubringen“. Ähnlich hatte sich auch der EU-Kommissionsvize Frans Timmermans geäußert.

Baerbock wies zugleich auf den globalen Schutzschirm für Klimarisiken hin, den Deutschland am Montag gemeinsam mit Ghana und anderen Ländern vorgestellt hatte. Dieser Schutzschirm sei aus deutscher Sicht „Teil eines Mosaiks für Loss and Damage“ (Deutsch: Verluste und Schäden), sagte sie.

Der senegalesische Klimaexperte Lamine Cissé pochte darauf, dass sich die Staaten auf einen verbindlichen Finanzierungsmechanismus einigen. Im Senegal müssten schon jetzt Gemeinschaften ihr Land verlassen, und der Staat habe nur sehr begrenzte Möglichkeiten, sie zu unterstützen, sagte der Leiter des Büros der African Climate Foundation dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Auswirkungen der Klimakrise auf Wirtschaft, Landwirtschaft und Ernährungssicherheit müssten dringend abgefedert werden, forderte Cissé, der für seine Organisation an der Klimakonferenz teilnimmt.

Bei dem Klimagipfel verhandeln seit dem 6. November Delegierte aus fast 200 Ländern über konkrete Schritte zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens von 2015. Ziel ist es, die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Derzeit steuert die Welt Fachleuten zufolge auf rund 2,5 Grad Celsius zu. Auch Papst Franziskus rief die Staaten über Twitter auf, zu handeln, „bevor es zu spät ist“.