Energiekrise: Fast jeder fünfte Haushalt von Überschuldung bedroht

Energiekrise: Fast jeder fünfte Haushalt von Überschuldung bedroht
Zwar sinkt aktuell die Verschuldung von Privatpersonen auf einen historischen Tiefststand. Doch der große Schock steht noch bevor.

Berlin, Neuss (epd). Fast jedem fünften Haushalt in Deutschland droht einer Studie zufolge wegen der Energiekrise zumindest zeitweise die Überschuldung. Bis zu 19 Prozent der deutschen Haushalte seien gefährdet, ihre Rechnungen für Versorgungsleistungen wie Strom, Wasser, Gas und Wärme nicht sofort bezahlen zu können, heißt es in dem am Dienstag online vorgestellten „SchuldnerAtlas Deutschland 2022“. Laut der in Neuss ansässigen Creditreform Wirtschaftsforschung sind rund 7,8 Millionen Haushalte oder 15,6 Millionen Personen in Deutschland betroffen. Der kommende Energiepreisschock zu Beginn des neuen Jahres werde für viele zu einer finanziellen Überforderung.

Angesichts eines historischen Tiefststands der Überschuldungsfälle in diesem Jahr sprach der Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform, Patrik-Ludwig Hantzsch, von trügerischen Zahlen. Die wahren Belastungen seien die anhaltend hohe Inflation und die steigenden Energiekosten. Diese seien noch längst nicht vollständig beim Verbraucher angekommen. „Wir fürchten in den kommenden Monaten eine Trendwende“, sagte Hantzsch.

Laut „SchuldnerAtlas“ ist die Zahl der Überschuldungsfälle auf den niedrigsten Stand seit 2004 gesunken. Sie verringerte sich gegenüber dem Vorjahr um rund 274.000 Fälle beziehungsweise 4,4 Prozent auf 5,88 Millionen. Die Überschuldungsquote, also der Anteil überschuldeter Personen an allen Erwachsenen in Deutschland, sank um 0,38 Punkte auf 8,48 Prozent. Demnach gelten nur noch 2,94 Millionen Haushalte als überschuldet und „nachhaltig zahlungsgestört“. Überschuldung liegt dann vor, wenn die zu leistenden Gesamtausgaben über einen längeren Zeitraum höher als die Einnahmen sind und zur Deckung des Lebensunterhaltes weder Vermögen noch Kreditmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

Seit Corona hätten sich die Überschuldungsfälle in drastischem Tempo verringert, sagte Hantzsch. Durch die anhaltende Krisenlage gäben die meisten Menschen weniger Geld aus. Zudem schützten staatliche Hilfsprogramme viele Verbraucher. Doch die in der Corona-Krise aufgehäuften Sparguthaben seien vielfach schon wieder aufgebraucht.

Die Zahlen beruhen auf Daten der amtlichen Schuldnerverzeichnisse, auf unstrittigen Inkasso-Fällen von Creditrefom und auf sogenannten „nachhaltigen Zahlungsstörungen“ mit mindestens zwei Mahnungen mehrerer Gläubiger. Als „Überschuldungsauslöser“ gelten Arbeitslosigkeit, Erkrankungen, eine unwirtschaftliche Haushaltsführung, Trennungen, ein längerfristiges Niedrigeinkommen und gescheiterte Selbstständigkeit.

Die höchsten Überschuldungsquoten finden sich in der Gruppe der 30- bis 39-Jährigen (14,12 Prozent), der 40- bis 49-Jährigen (12,52 Prozent) und der 50- bis 59-Jährigen (8,89 Prozent). Dabei sei die Überschuldung in allen Altersgruppen und geschlechterübergreifend zurückgegangen, bei jüngeren Menschen schneller als bei Menschen im Alter ab 60 Jahren. Im Ost-West-Vergleich heißt es, dass die Zahl der Überschuldungsfälle in beiden Teilen Deutschlands auf ähnlichem Niveau zurückgegangen sei.