Russland zur Einhaltung des Getreideabkommens aufgerufen

Russland zur Einhaltung des Getreideabkommens aufgerufen
Russland ist einseitig aus dem Abkommen zur Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine ausgestiegen. Damit droht sich der Hunger in armen Krisenregionen weiter zu verschärfen.

Berlin (epd). Die Bundesregierung ruft Russland zur Einhaltung des Abkommens zur Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine auf. „Russlands einseitiges Aussetzen des Getreideabkommens ist angesichts von weltweit Millionen Hungernden unverantwortlich“, sagte Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). Russland sei dringend aufgerufen, seiner vor der Weltgemeinschaft abgegebenen Verpflichtung gerecht zu werden.

Russland hat das Abkommen am Samstag einseitig ausgesetzt und den Schritt mit Angriffen auf russische Kriegsschiffe im Schwarzen Meer begründet. Russland und die Ukraine hatten sich im Juli unter Vermittlung der UN und der Türkei auf die Initiative geeinigt. Danach sollen Schiffe Getreide, andere Lebensmittel und Dünger über sichere Korridore aus der Ukraine und aus Russland auf die Weltmärkte liefern.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte in Berlin, dass das Abkommen sehr erfolgreich gewesen sei und Millionen Tonnen Getreide auf diese Weise aus der Ukraine geschafft worden seien. Hunger als Waffe einzusetzen, sei etwas „zutiefst Verabscheuungswürdiges“, fügte er mit Blick auf Russland hinzu.

Angesichts der erneuten russischen Blockade ukrainischer Getreide-Exporte per Schiff sprach sich der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid dafür aus, Ausfuhren über den Landweg zu stärken. „Wir müssen noch sehr viel stärker die Landwege ertüchtigen, um die Ausfuhr von Getreide zu ermöglichen“, sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion den Funke-Zeitungen. Schon jetzt sei etwa die Hälfte der Getreideexporte aus der Ukraine auf dem Landweg herausgebracht worden. „Da der Seeweg offensichtlich sehr unsicher ist und das Abkommen über den Getreideexport instabil ist, müssen wir vor allem die Eisenbahnlinien entsprechend umrüsten“, forderte er.

Ein Sprecher des Verkehrsministeriums wies darauf hin, dass der Export auf dem Landweg - insbesondere die Schiene - bereits erfolge. Doch der Weg, aus der Ukraine etwa die Nordseehäfen anzusteuern, sei der längste, aufwändigste und teuerste.

Das evangelische Hilfswerk „Brot für die Welt“ befürchtet einen erneuten Anstieg der Getreidepreise. „Die militärischen Auseinandersetzungen dürfen nicht zur Folge haben, dass hungernde Menschen weltweit durch steigende Nahrungsmittelpreise dafür bestraft werden“, erklärte die Präsidentin des Hilfwerks, Dagmar Pruin.

Der Agrarhandelsexperte der Organisation, Francisco Mari, kritisierte, dass in den vergangenen acht Kriegsmonaten kein Krisenmechanismus entwickelt wurde, um auf erneut steigende Weltmarktpreise für Nahrungsmittel angemessen zu reagieren. Er forderte, die Nutzung von Getreide als Treibstoff oder Futtermittel für die Fleischproduktion zu reduzieren. „Dies würde den Weizenpreis dämpfen, Spekulationen vorbeugen und die Folgen von Seeblockaden gegenüber armen Ländern mindern.“

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine haben sich die Hungerkrisen in vielen Ländern verschärft. Die Ukraine und Russland zählten vor dem Krieg zu den weltweit größten Getreideexporteuren. Viele Länder in Nord- und Ostafrika waren von Lieferungen aus den beiden Ländern abhängig. Seit der Unterzeichnung des Getreideabkommens konnten laut UN mehr als 360 Schiffe mit 8,1 Millionen Tonnen landwirtschaftlicher Güter ukrainische Häfen verlassen.