Erster Muezzinruf in Köln sorgt weiter für Diskussionen

Erster Muezzinruf in Köln sorgt weiter für Diskussionen
Religiöse Botschaft oder Machtdemonstration? Der erste öffentliche Muezzinruf in Köln sorgte schon vor dem Ereignis für Diskussionen. Am Freitag war es soweit. Zustimmung und Kritik halten an.

Köln (epd). Am Freitagmittag hat in Köln erstmals ein Muezzin muslimische Gläubige öffentlich per Lautsprecher zum Freitagsgebet gerufen. An der Zentralmoschee der Türkisch-Islamischen Union (Ditib) im Stadtteil Ehrenfeld rezitierte deren Religionsbeauftragter Mustafa Kader den Gebetsruf. Der Muezzinruf war zuvor auf ein geteiltes Echo gestoßen. Auch am Freitag gab es neben Zustimmung wieder kritische Stimmen.

Positiv äußerte sich der Migrationsforscher und Islamexperte Werner Schiffauer. „Hier wird endlich sichtbar anerkannt, dass der Islam gleiche Rechte hat“, sagte er der „Frankfurter Rundschau“ (Freitag). Er teile zwar die Kritik an der Nähe der Ditib zu Ankara und der finanziellen Abhängigkeit von der Türkei. Die Zentralmoschee sei aber „ganz überwiegend“ ein Ort „rein religiöser Botschaften“.

Der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, warb in der Debatte über den Muezzinruf in Köln für Toleranz. Die in Deutschland geltende Religionsfreiheit müsse grundsätzlich für alle Religionen gelten, sage der frühere rheinische Präses am Freitag im WDR5-„Morgenecho“. „Zur Religionsfreiheit gehört nach meinem Verständnis, dass man seinen Glauben nicht nur im privaten Kämmerlein ausüben kann, sondern dass dies auch öffentlich geschehen kann“, sagte Schneider.

Kritik äußerte dagegen der Psychologe und Autor Ahmad Mansour. Es sei eine absolute „Machtdemonstration“, wenn nun ausgerechnet der erdogantreue Ditib-Verband wöchentlich lautstark zum Gebet rufe, sagte er der „Frankfurter Rundschau“ (Freitag). „Ich finde, so eine Moschee zu hofieren und ihr symbolisch diese Machtdemonstration zu erlauben, das ist das falsche Signal.“

Die Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam (FFGI), Susanne Schröter, kritisierte, die Ditib instrumentalisiere die Religion für ihre Zwecke. Die türkische Regierung habe immer wieder die Ditib-Moscheen für politische und auch für anti-integrative Propaganda genutzt, sagte sie am Freitag in Köln im WDR-Radio. „Von daher kann ich nicht sehen, dass auf deutscher und auf türkischer Seite das gleiche Verständnis von Toleranz da ist.“ Das viermalige Rufen des Glaubensbekenntnisses „Gott ist groß“ sei zwar für jeden Moslem etwas völlig Normales, sagte Schröter. Zugleich sei es „nun auch nicht ein Bekenntnis der Gleichwertigkeit aller Religionen, sondern auch der Überlegenheit des Islam“.

Das katholische Hilfswerk Missio Aachen appellierte unterdessen an die Ditib, sich für Religionsfreiheit in der Türkei einzusetzen. Er hoffe, dass der erste öffentliche Ruf eines Muezzins an der Ditib-Moschee in Köln „auch zum Weckruf für das umfassende Recht auf Religionsfreiheit von religiösen Minderheiten in der Türkei wird“, sagte Missio-Präsident Dirk Bingener am Freitag in Aachen. Der öffentliche Muezzinruf sei ein „Zeichen von Normalität in einer offenen Gesellschaft, in der das Menschenrecht auf Religionsfreiheit für alle gleichermaßen gilt“. Daraus erwachse für die Ditib aber gleichzeitig „die politische Verantwortung, sich als Teil der türkischen Religionsbehörde für dieses Menschenrecht und die gesellschaftliche Akzeptanz von Christinnen und Christen und anderen religiösen Minderheiten in der Türkei einzusetzen“.