Früherer EKD-Chef Schneider: Religionsfreiheit gilt auch für Muslime

Früherer EKD-Chef Schneider: Religionsfreiheit gilt auch für Muslime

Köln (epd). Der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, hat in der Debatte über den Muezzinruf in Köln für Toleranz geworben. Die in Deutschland geltende Religionsfreiheit müsse grundsätzlich für alle Religionen gelten, sage der frühere rheinische Präses am Freitag im „Morgenecho“ auf WDR5. „Zur Religionsfreiheit gehört nach meinem Verständnis, dass man seinen Glauben nicht nur im privaten Kämmerlein ausüben kann, sondern dass dies auch öffentlich geschehen kann“, sagte Schneider.

Dass sich andere Religionen aus ihrem Selbstverständnis heraus öffentlich äußerten, müsse ausgehalten werden, sagte Schneider. „Als Christenmensch und als Theologe habe ich eine andere Einschätzung, als sie in dem Gebetsruf zum Ausdruck gebracht wird“, sagte er. Aber es gehöre zu einem toleranten Umgang miteinander, „dass die anderen auch die Möglichkeit haben, ihre Vorstellungen zu sagen“. Voraussetzungen dafür seien, dass die Äußerung des Glaubens unter den Bedingungen des Grundgesetzes geschehe, und es dürfe nicht zu Unfrieden im Land führen. „Lass es uns erstmal ausprobieren“, appellierte Schneider.

Die vom umstrittenen Ditib-Verein getragene Kölner Moschee müsse ihrerseits aber auch deutlich machen, dass es darum gehe, als Teil der bundesdeutschen Gesellschaft den Glauben öffentlich zu leben. Das sei bei Ditib eine ernsthafte Frage, weil sie dem türkischen Staat nahestehe. Dieser türkische Staat schränke, etwa bei der Umwidmung der Hagia Sophia in Istanbul zu einer Moschee, Religionsfreiheit ein. Die Ditib dürfe den Vertrag nicht dazu missbrauchen, um auch hier öffentlich aggressiv aufzutreten. Die „Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion“ (Ditib) ist mit der türkischen Religionsbehörde verbunden und wurde in der Vergangenheit wegen ihrer Nähe zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan kritisiert, der zunehmend autoritär regiert.

Die Gesellschaft hierzulande müsse klären, wie weit sie dieses öffentliche Auftreten „ertragen“ könne, „wie weit wir bereit sind, tolerant miteinander umzugehen“, sagte Schneider weiter. „Da gibt es keine theoretische Antwort drauf. Das muss man klären durch Handeln.“

In Köln ruft an diesem Freitag der Muezzin erstmals muslimische Gläubige per Lautsprecher zum Freitagsgebet. Der erste Gebetsruf der Ditib-Zentralmoschee im Stadtteil Ehrenfeld soll den Angaben zufolge gegen 13.24 Uhr erfolgen. Die Moscheegemeinde in Ehrenfeld ist die bislang einzige, die im Zuge eines auf zwei Jahre befristeten Modellprojekts der Stadt Köln einen Antrag gestellt hatte. Rund zehn weitere Moscheegemeinden haben Interesse bekundet. Genehmigt wird der Muezzinruf durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit Auflagen.