Herzog: Deutschlands Erfolg beruht auf seiner Erinnerungskultur

Herzog: Deutschlands Erfolg beruht auf seiner Erinnerungskultur
Bei seinem Deutschland-Besuch fordert Israels Präsident Herzog, bei der Erinnerung an den Nationalsozialismus und dessen Opfer nicht nachzulassen. Deutschlands heute "ehrenwerter Status" beruhe auf der Pflicht gegenüber der Vergangenheit, sagt er.

Berlin (epd). In seiner Rede vor dem Bundestag hat Israels Staatspräsident Izchak Herzog an Deutschland appelliert, die Erinnerung an die Ermordung der Juden im Nationalsozialismus wachzuhalten. Deutschlands Erfolg beruhe auch auf seiner Verpflichtung der Vergangenheit gegenüber, sagte Herzog am Dienstag. Der Präsident würdigte Deutschlands Anstrengungen im Bereich der Erinnerungskultur. Israel sei heute „stolz auf seine Partnerschaft mit Deutschland“, sagte er.

Herzog zitierte vor den Abgeordneten seinen Vater Chaim Herzog, der 1945 zu den Befreiern des nationalsozialistischen Konzentrationslagers Bergen-Belsen gehörte: „Nur die Toten haben das Recht zu vergeben“. „Das jüdische Volk vergisst nicht“, sagte Herzog. Das gelte nicht nur aufgrund der Pflicht den Generationen der Vergangenheit gegenüber, sondern aufgrund der Verpflichtung gegenüber künftigen Generationen. So sei es auch in Deutschland: Der „ehrenwerte Status, den das demokratische Deutschland in der Völkerfamilie genießt, der es zu einem der wichtigsten Anführer der freien Welt werden ließ“, beruhe sowohl auf der Verpflichtung der Vergangenheit gegenüber als auch der Zukunft der Menschheit gegenüber.

Als Beispiel nannte Herzog die Errungenschaften des Sozialstaats in Deutschland. Die Sorge um die Schwachen und der Aufbau einer beeindruckenden stützenden Infrastruktur für Bedürftige bildeten einen in Europa beispielgebenden „Rahmen der Menschlichkeit und der Würde des Menschen“, sagte der Präsident.

Den Holocaust bezeichnete Herzog als „tiefsten Abgrund der Geschichte des menschlichen Zusammenlebens“. Seine Rede begann Herzog mit einem Gebet für die Opfer der Juden-Verfolgung im Nationalsozialismus, zu dem sich die Abgeordneten im Reichstagsgebäude erhoben.

In ihrer Begrüßung versicherte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD), dass Deutschland weiter gegen Antisemitismus und Rassismus eintreten werde. Deutschland könne nicht wiedergutmachen, „was nie mehr gutzumachen ist: der millionenfache Mord an den europäischen Juden“. Umso mehr müsse man die Erinnerung an die Opfer wachhalten. Bas unterstrich zudem die Bedeutung des Austauschs zwischen Menschen in Deutschland und Israel. Sie sprach sich in ihrer Rede für die Gründung eines deutsch-israelischen Jugendwerks aus.

Herzog forderte vor dem Bundestag zudem ein härteres Auftreten gegen den Iran und dessen Pläne für Atomwaffen. Der Iran bedrohe damit nicht nur Israel, sagte Herzog: „Ich rufe die ganze Welt auf, nicht tatenlos zuzuschauen.“

Herzog ist seit Sonntag zum Staatsbesuch in Deutschland. Am Montag nahm er gemeinsam mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an der Gedenkfeier für die Opfer des Olympia-Attentats vor 50 Jahren teil. Palästinensische Terroristen hatten bei den Spielen 1972 in München israelische Sportler als Geiseln genommen und bei einem Befreiungsversuch getötet.

Nach seiner Rede im Bundestag besuchte Herzog das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin und legte dort einen Kranz nieder. Für den Nachmittag plante der Staatspräsident einen Besuch in der Gedenkstätte im einstigen KZ Bergen-Belsen. Dort wurden unter der Nazi-Herrschaft mehr als 52.000 KZ-Häftlinge und rund 20.000 Kriegsgefangene ermordet, unter ihnen das jüdische Mädchen Anne Frank, deren Tagebuch weltbekannt wurde. Herzogs Vater Chaim Herzog, der von 1983 bis 1993 ebenfalls israelischer Staatspräsident war, gehörte 1945 als britischer Offizier zu den Soldaten, die das KZ Bergen-Belsen befreiten.