Krankenkassen: Höhere Löhne in Altenpflege solidarisch finanzieren

Krankenkassen: Höhere Löhne in Altenpflege solidarisch finanzieren
Die Tariflohnpflicht in der Altenpflege soll den Beruf attraktiver machen. Doch die gesetzlichen Krankenkassen und die Pflegebranche warnen vor höheren Eigenanteilen für Pflegebedürftige. Der Gesetzgeber müsse handeln.

Frankfurt a.M. (epd). Zum Start der bundesweiten Tariflohnpflicht in der Altenpflege warnen die gesetzlichen Krankenkassen und der Deutsche Pflegerat vor höheren Kosten für Pflegebedürftige. „Die gesetzlichen Vorgaben sind so, dass die nun entstehenden Mehrkosten am Ende von den Pflegebedürftigen über höhere Eigenanteile bezahlt werden müssen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Gernot Kiefer, dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Donnerstag). „Das sollte der Gesetzgeber dringend ändern.“ Pflegerats-Präsidentin Christine Vogler kritisierte, dass die Gegenfinanzierung fehle und bis jetzt nicht klar sei, wo das Geld für die Löhne herkomme.

Das Bundesgesundheitsministerium indes verwies zum Start der Tariflohnpflicht zum 1. September auf die seit Januar geltenden Zuschüsse bei den Eigenanteilen in Pflegeheimen und eine Erhöhung der Leistungsbeiträge in der ambulanten Pflege. Zudem seien die Pflegekassen verpflichtet, die steigenden Lohnaufwendungen bei der Vergütung von Pflegeleistungen zu berücksichtigen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte: „Die Löhne der Pflegekräfte in den Heimen steigen erheblich, und das ist gewollt.“ Das sei ein später Dank an die aktiven Pflegekräfte und ein gutes Zeichen an alle, die diesen wichtigen und erfüllenden Beruf ergreifen wollten: „Die Gesellschaft muss diese Leistung besser honorieren.“

Der Deutsche Pflegerat begrüßte zwar, dass Beschäftigte in der Altenpflege ab sofort Anspruch auf Löhne in Tarifhöhe haben, warnte aber auch vor negativen Folgen. Verbandspräsidentin Vogler sagte im rbb24 Inforadio, die Zusage, alle Lohnerhöhungen würden von den Pflegekassen finanziert, werde derzeit nicht gehalten. In der Folge würden die Heimbewohner finanziell belastet. „Da gibt es eine soziale Ungerechtigkeit“, sagte sie.

Der Arbeitgeberverband der privaten Pflege-Unternehmen warnte gar vor einem „Kosten-Tsunami für die Pflegebedürftigen und ihre Familien“. Verbandspräsident Thomas Greiner forderte, Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) müsse sich bei der Finanzierung der Eigenanteile bewegen.

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, erklärte in Dortmund: „Hier türmt sich eine große Welle auf.“ Die mehr als 20-prozentige Lohnerhöhung in der Altenpflege schlage mit der Inflation und den steigenden Energiepreisen auf die Eigenanteile der Pflegebedürftigen durch.

Die aktuelle Situation zeige, dass das geltende Finanzierungsmodell der Pflege überholt sei. Der Patientenschützer forderte, „die Pflegeversicherung muss zur Teilkasko-Versicherung werden. So wüssten Versicherte und Pflegebedürftige von Anfang an, welcher Eigenanteil zu leisten ist.“

Der Bundestag hatte im vergangenen Jahr ein Gesetz verabschiedet, wonach ab September an nur noch solche Einrichtungen mit der Pflegekasse abrechnen können, die Tariflöhne, Vergütungen nach dem kirchlichen Arbeitsrecht oder Löhne mindestens in gleicher Höhe bezahlen. Von den rund 1,2 Millionen Pflegekräften wurden damals nur etwa die Hälfte nach Tarif bezahlt.

Seit 1. September müssen Beschäftigte in der Altenpflege bundesweit nach Tarif bezahlt werden. Damit könnten die Gehälter von Pflegekräften nach Expertenmeinungen um bis zu 30 Prozent steigen.