TV-Tipp: "Der Tatortreiniger"

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24. August, NDR, 22.45 Uhr
TV-Tipp: "Der Tatortreiniger"
Heiko Schott rückt immer dann an, wenn ein unfreiwilliger Abgang blutige Spuren hinterlassen hat. Während die Hauptfigur zwar einer ungewöhnlichen Tätigkeit nachgeht, ansonsten aber ein stinknormaler Typ ist, kommt es an den Schauplätzen der Verbrechen regelmäßig zu skurrilen Begegnungen. Der Reiz dieser Szenen resultiert nicht selten aus der Kombination: hier die unübersehbaren und zum Teil recht drastischen Spuren des Verbrechens, dort das oft unbefangene Geplauder über Gott und die Welt.

Schon allein die Idee war grandios, aber erst ihre Umsetzung machte die erstmals 2011 ausgestrahlte Serie "Der Tatortreiniger" zu einer derart herausragenden Produktion, dass die Beteiligten 2012 sowohl den Grimme-Preis als auch den Deutschen Fernsehpreis bekommen haben; und im Jahr drauf quasi als Titelverteidiger erneut den Grimme-Preis.

Das Konzept hat Hauptdarsteller Bjarne Mädel gemeinsam mit Regisseur Arne Feldhusen entwickelt; die beiden hatten zuvor schon "Stromberg", "Mord mit Aussicht" und "Der kleine Mann" miteinander gedreht. Theaterautorin Ingrid Lausund hat unter dem Pseudonym Mizzi Meyer aus der Grundidee grandiose Drehbücher gemacht, die die Titelfigur mit immer neuen absurden Situationen konfrontieren.

Dass die Zwei-Personen-Stücke so exzellent funktionieren, liegt naturgemäß auch daran, dass der Hauptdarsteller mit kongenialen Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeiten durfte. Mittlerweile ist Mädel längst ein gefeierter Schauspieler, der 2022 gleich zweifach mit dem Grimme-Preis geehrt worden ist: als Schauspieler für seine Rolle als gestresster Paketbote in "Geliefert", als Hauptdarsteller und Regisseur des Krimis "Sörensen hat Angst". 2011 musste der Hamburger jedoch erkennen, dass Erfolg auch seine Schattenseiten hat.

Als Ernie Heisterkamp, der Fußabtreter aus "Stromberg", genoss er Kultstatus. In der Serie wurde Ernie, der eigentlich Berthold heißt und regelmäßig riesige Schwitzflecken offenbart, wenn er die Arme hebt, immer wieder das Opfer böser Mobbing-Späße seiner Kollegen. Mädel spielte das so gut, dass die Leute in den Produktionsfirmen, wie er sich mal beklagte, "immer sofort an mich denken, wenn sie einen Bürotrottel besetzen sollen." Der gemütliche Dorfpolizist in der ARD-Krimiserie "Mord mit Aussicht" zum Beispiel war quasi Ernie in Uniform.

Mit der Auftaktstaffel zu "Der Tatortreiniger", nur vier Folgen lang und zunächst irgendwo im dritten Programm des NDR versteckt, haben Mädel und Feldhusen neue Maßstäbe gesetzt. Nach dem Grimme-Preis durfte die Serie endlich auch ins "Erste", was für ARD-Verhältnisse durchaus mutig war, denn Titelfigur Schotty rückt immer dann an, wenn ein Verbrechen blutige Spuren hinterlassen hat. Entsprechend derb und deftig sind mitunter die Scherze: In der ersten Folge kommt Schotty am Schauplatz eines Mordes mit einer Prostituierten ins Geschäft. Ein Solitär war in Staffel zwei die Grimme-preisgekrönte Episode "Schottys Kampf": In der verbalen Auseinandersetzung mit einem intellektuell deutlich überlegenen Neonazi stößt der wackere Putzmann zwar an seine Grenzen, aber deshalb gibt er noch lange nicht auf.

Mindestens so viel Spaß wie die Figuren und ihre sorgsam formulierten Dialoge machen die Kleinigkeiten am Rande. Der schwarze Humor ist mitunter derb und deftig, aber dafür sind die Dialoge zum Teil umso subtiler; dank Mädels großartigem Spiel funktioniert der trockene Humor oft ausgesprochen beiläufig. Die jeweiligen Gastschauspieler sind sorgsam ausgewählt.

Richtungsweisend war "Der Tatortreiniger" auch in produktionstechnischer Hinsicht: Die knapp dreißig Minuten langen Folgen der ersten Staffel haben jeweils nur 170.000 Euro gekostet. "Wir wollten eine kleine serielle Form entwickeln, die humorvoll ist, aber kein großes Budget benötigt, deren überschaubare Geschichten an einem Schauplatz spielen und mit wenigen Figuren auskommen und deren Hauptfigur witzig und prominent besetzt sein sollte", erläutert der damalige NDR-Serienchef Gleim das Konzept.

Es sei zunächst allerdings gar nicht leicht gewesen, die Produktion im Haus durchzusetzen: "’Der Tatortreiniger’ entspricht sicher nicht dem Humor, der für unser drittes Programm typisch ist." Gerade die erste Folge "mit ihrer Kombination von Tod und Sex hat für hochgezogene Augenbrauen gesorgt. Aber ein Programm, über das sich niemand ärgert, ist meistens auch etwas langweilig." Am Ende habe es selbst von den Skeptikern im Sender ein begeistertes Feedback gegeben. Mit dem Arbeitstitel "Der letzte Dreck" wollte man sich dann aber doch nicht anfreunden.