Verbände fordern Sozialgipfel im Kanzleramt

Verbände fordern Sozialgipfel im Kanzleramt
Während noch über die Wirkung der geplanten Absenkung der Mehrwertsteuer auf Gas debattiert wird, fordern Sozialverbände einen Sozialgipfel im Kanzleramt. Die Nöte vieler Menschen müssten ernster genommen und gezielte Hilfen beschlossen werden.

Berlin (epd). Ein Verbände-Bündnis fordert mit einem gemeinsamen Appell in der „Bild“-Zeitung (Samstag) einen Sozialgipfel mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Wie die „Bild“ am Freitag vorab berichtete, haben sich dem Aufruf unter anderem der Sozialverband VdK, der SoVD, die Tafeln und der Deutsche Mieterbund angeschlossen. Unterdessen wird die geplante Absenkung der Mehrwertsteuer auf Gas unterschiedlich bewertet. Während die Kommunen von einer spürbaren Entlastung für Städte, Gemeinden, Wirtschaft und Bürger sprachen, forderten Sozialverbände gezieltere Hilfen.

„Bild“ zufolge wollen die Verbände mit dem Kanzler darüber sprechen, wie die enorm steigenden Energiepreise gerechter abgefedert werden sollen. Die Bundesdirektorin des Deutschen Mieterbundes, Melanie Weber-Moritz, sagte dem Blatt, den Menschen die explodierenden Kosten aufzubürden, „während einige Energiekonzerne Gewinne in Milliardenhöhe einfahren, ist nicht nur unsozial, sondern gefährdet auch den sozialen Frieden in Deutschland“. VdK-Präsidentin Verena Bentele sagte, es brauche sofort Lösungen für das untere Drittel der Gesellschaft. Der Vorsitzende der Tafel Deutschland, Jochen Brühl, erklärte, es sei bereits viel Geld ausgegeben worden für die ersten beiden Entlastungspakte, das komme bei den Betroffenen aber nicht an.

Als jüngste Maßnahme hatte Kanzler Scholz angekündigt, die Regierung wolle die Mehrwertsteuer auf den Gasverbrauch für anderthalb Jahre von 19 auf 7 Prozent senken. Er reagierte damit auf die Ablehnung der deutschen Bitte bei der Europäischen Union (EU), auf die Gasumlage keine Mehrwertsteuer erheben zu müssen. Die Umlage von zunächst rund 2,4 Cent pro Kilowattstunde wird ab Oktober fällig und soll bis Ende März 2024 gelten. Damit können Gasversorger höhere Kosten an ihre Kunden weitergeben, die ihnen entstehen, weil sie ausbleibende Lieferungen aus Russland mit deutlich teurerem Gas ersetzen müssen. Der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner hob am Freitag hervor, dass die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Gas eine spürbarere Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger herbeiführe, als wenn es möglich gewesen wäre, die Mehrwertsteuer auf die Umlage streichen.

Positive Reaktionen kamen von den Kommunen. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag): „Die Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf Gas von 19 auf 7 Prozent ist ein wichtiges Signal und stellt eine spürbare Entlastung für Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft und nicht zuletzt auch für die Kommunen selbst dar.“ Städte und Gemeinden seien vom Anstieg der Energiepreise stark betroffen.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di, Frank Werneke, sieht in der Mehrwertsteuersenkung einen „Schritt in die richtige Richtung“, forderte aber erneut einen Gaspreisdeckel auf den normalen Verbrauch etwa einer vierköpfigen Familie. Die Kosten müssten auf dem Niveau von 2021 gedeckelt und für die Energieversorger ausgeglichen werden, schlug Werneke in den Funke-Zeitungen vor.

Während der Paritätische Gesamtverband in der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Freitag) kritisierte, die Mehrwertsteuersenkung entlaste auch Topverdiener, begrüßte der Präsident der Arbeiterwohlfahrt, Michael Groß, die Absenkung. Sie werde vielen Menschen helfen, durch den Winter zu kommen. Es brauche aber weitere, zielgerichtetere Hilfen, fordert Groß, damit nicht noch mehr Menschen, insbesondere Kinder, in die Armut rutschten.

Die Bundesregierung plant angesichts der hohen Energiepreise ein drittes Entlastungspaket, das in Kürze vorgestellt werden soll. In einem ersten Schritt wurden die EEG-Umlage abgeschafft, ein Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger und Steuererleichterungen beschlossen. Zu den Entlastungsmaßnahmen im zweiten Schritt zählen das 9-Euro-Ticket für den Nahverkehr, das Ende August ausläuft, der Tankrabatt, die Energiepauschale von 300 Euro für einkommenspflichtige Erwerbstätige, eine Einmalzahlung pro Kind von 100 Euro und in Höhe von 200 Euro für Sozialleistungsempfängerinnen und -empfänger.