Lindner: Nicht zu handeln bedeutet Steuererhöhungen

Lindner: Nicht zu handeln bedeutet Steuererhöhungen
Finanzminister Lindner hat seine bereits viel diskutierten Pläne für Steuerentlastungen von zehn Milliarden Euro vorgestellt. Dabei bemühte er sich zu betonen, dass viele davon etwas haben - die Gutverdiener aber am meisten, sagen die Kritiker.

Berlin, Wiesbaden (epd). Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat seine Steuerpläne gegen Kritik verteidigt. Wenn der Bund nicht handele, „droht 48 Millionen Deutschen eine massive Steuererhöhung“, sagte der FDP-Politiker am Mittwoch in Berlin, als er die Vorschläge der Öffentlichkeit vorstellte. Das sei in den gegenwärtigen Zeiten „nicht fair“. Angesichts steigender Lebenshaltungskosten und einer unsicheren Wirtschaftslage gehe es ihm um die Vermeidung einer weiteren Belastung der Bürger.

Lindner will mit einem „Inflationsausgleichsgesetz“ die sogenannte kalte Progression ausgleichen und den Grundfreibetrag sowie das Kindergeld und den Kinderfreibetrag erhöhen. Medien hatten vorab über Details berichtet, was zu Kritik auch aus der Ampel-Koalition führte. Der Minister erklärte hingegen, für die Bedürftigen werde bereits viel getan. Er verwies auf die Entlastungspakete wegen der steigenden Energiekosten und die geplanten Verbesserungen beim Wohngeld sowie die Einführung des Bürgergelds im kommenden Jahr.

Seinen Plänen zufolge würde der Staat im kommenden Jahr auf rund zehn Milliarden Steuereinnahmen verzichten. Der FDP-Politiker betonte, dass die Anpassung des Einkommenssteuertarifs nur bis zum Anderthalbfachen des Durchschnittseinkommens erfolgen solle. Damit steige die Entlastung ab einem Einkommen von rund 62.000 Euro im Jahr nicht weiter an. Es profitierten vor allem Beschäftigte und Selbstständige sowie Rentnerinnen und Rentner in der ganzen Breite der Gesellschaft. Im Durchschnitt beträgt die Steuerentlastung Lindner zufolge 192 Euro.

Die unteren Einkommen profitieren prozentual stärker, die höheren durch höhere Summen. Ab 70.000 Euro Jahreseinkommen beträgt die Entlastung nach Angaben des Bundesfinanzministeriums 479 Euro. Bei niedrigen Einkommen, beispielsweise 20.000 oder 30.000 Euro im Jahr, liegt sie bei 115 Euro beziehungsweise 172 Euro.

Die sogenannte kalte Progression führt dazu, dass Lohnerhöhungen die Kaufkraft der Menschen nicht erhöhen oder sogar verringern. Das ist dann der Fall, wenn für das steigende Einkommen höhere Steuern fällig werden und dadurch der Zuwachs die Inflationsrate nicht ausgleicht. Der Effekt kann durch eine Anpassung des Einkommenssteuertarifs gemildert oder vermieden werden.

Die Union signalisiert Unterstützung für die Steuerpläne. Vize-Fraktionschef Jens Spahn (CDU) sagte im Deutschlandfunk, Lindner Vorschläge seien richtig. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil zeigte sich gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ offen für eine Diskussion über die Pläne, während die SPD-Linke sie ablehnte.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit sprach von einem „grundsätzlichen Wohlwollen“ des Kanzlers Olaf Scholz (SPD). Lindners Pläne, die noch innerhalb der Regierung abgestimmt werden müssten, seien Teil eines größeren Gesamtkonzeptes.

Die finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Katharina Beck, wies Lindner Vorstoß als ungerecht zurück. Sie sagte dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“, Milliarden-Steuererleichterungen, von denen Menschen, die viel verdienten, dreimal so stark profitierten wie Geringverdienende, seien nicht auf der Höhe der Zeit.

Die Diakonie-Vorständin Sozialpolitik Maria Loheide kritisierte, der Vorschlag wirke bei den Ärmsten am schlechtesten. Wer keine Einkommenssteuer zahle, profitiere kaum von steuerlichen Instrumenten. Die Diakonie schlage einen Sofortzuschlag von 100 Euro im Monat für ein halbes Jahr für jene Menschen vor, die Transferleistungen erhalten.

Die Inflationsrate in Deutschland ist im Juli laut Statistischem Bundesamt im Vergleich zum Vormonat leicht auf 7,5 Prozent zurückgegangen. Dämpfend haben sich demnach seit Juni zwei Maßnahmen ausgewirkt: das 9-Euro-Ticket und der Tankrabatt.