Staatsanwaltschaft Frankfurt klagt AWO-Geschäftsführer an

Staatsanwaltschaft Frankfurt klagt AWO-Geschäftsführer an

Frankfurt a.M. (epd). Im Betrugsskandal um die Kreisverbände der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Frankfurt am Main und Wiesbaden hat die Staatsanwaltschaft nun die Führungspersonen angeklagt: Den früheren Geschäftsführer der AWO Frankfurt und einer Tochtergesellschaft, Jürgen Richter (65), und die frühere Geschäftsführerin der AWO Wiesbaden und Sonderbeauftragte des Frankfurter Verbands für Flüchtlingshilfe, Jürgen Richters Ehefrau Hannelore Richter (63). Sie würden wegen des Verdachts des gemeinschaftlichen schweren Betruges in zwei Fällen vor das Landgericht gestellt, teilte die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main am Mittwoch mit.

Zusammen mit dem Ehepaar Richter werden zwei weitere Beschuldigte wegen desselben Vorwurfs angeklagt. Dies seien ein 43-jähriger Frankfurter Rechtsanwalt, der zunächst beratend für die AWO Frankfurt tätig war und später die Funktion des Sonderbeauftragten für den Bereich Bau und Finanzen übernommen hatte. Außerdem werde eine vormals bei der AWO Frankfurt und einem Tochterunternehmen jeweils als Leiterin der Abteilung Finanzen beschäftigte 51-Jährige angeklagt.

Die Beschuldigten sollen der Stadt Frankfurt einen Schaden in Höhe von insgesamt mehr als 2,6 Millionen Euro zugefügt haben. Sie haben nach Angaben der Staatsanwaltschaft für den Betrieb zweier Flüchtlingsunterkünfte zwischen 2016 und 2018 der Stadt stark überhöhte Personal- und Mietkosten in Rechnung gestellt. Den Beschuldigten sei es darum gegangen, „unter Vorlage falscher Abrechnungen maximale Gewinne zu erzielen“.

Von diesem Verfahren abgesehen ermittele die Staatsanwaltschaft weiter wegen des Verdachts der Untreue zum Nachteil der AWO. Die neue Leitung des Kreisverbands Frankfurt schätzte Ende vergangenen Jahres den von den ehemaligen Führungskräften verursachten Schaden nach Feststellung der Jahresabschlüsse 2018 und 2019 auf rund zehn Millionen Euro.

Das „System Richter“ bestand nach Angaben der AWO unter anderem aus einem willkürlichen System von Vergünstigungen, mit denen Mitwisser und Mittäter abhängig und gefügig gemacht wurden. Dazu gehörten überzogene Gehälter, protzige Dienstwagen und andere ungerechtfertigte Vergünstigungen, etwa für vorgetäuschte Leistungen. Nach dem Prinzip „Teile und herrsche“ seien diese an zahlreiche Empfänger verteilt worden, um vor allem den persönlichen Interessen von Richter und „seiner Clique“ zu dienen.

Infolge der Aufdeckung des Skandals durch Presseberichte im Herbst 2019 sind bereits mehrere Strafverfahren und arbeitsgerichtliche Verfahren am Laufen. Besondere Aufmerksamkeit wird die Eröffnung des Verfahrens gegen den Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) am 18. Oktober vor dem Landgericht erfahren. Er ist wegen des Tatverdachts der Vorteilsnahme angeklagt. Feldmann war vor seiner ersten Wahl zum Oberbürgermeister 2012 Mitarbeiter der AWO Frankfurt. Wegen der Anklage wählte die Stadtverordnetenversammlung den 63-Jährigen Mitte Juli mit breiter Mehrheit ab. Am 6. November stimmen die Frankfurter in einem Bürgerentscheid über Feldmanns Verbleib als Oberbürgermeister ab.