Patenschaftsnetzwerk: Afghanische Ortskräfte weiter in Lebensgefahr

Patenschaftsnetzwerk: Afghanische Ortskräfte weiter in Lebensgefahr
07.08.2022
epd
epd-Gespräch: Mey Dudin

Berlin (epd). Ein Jahr nach dem überstürzten Abzug internationaler Truppen aus Afghanistan stecken nach Angaben des Patenschaftsnetzwerks Afghanische Ortskräfte noch immer mehrere hundert einstige Helfer der Bundeswehr in dem von den Taliban kontrollierten Land fest und fürchten um ihr Leben. „Auf meiner Warteliste stehen Hunderte Menschen, die zwar eine Aufnahmezusage für Deutschland haben, aber keinen afghanischen Reisepass“, sagte Qais Nekzai vom Patenschaftsnetzwerk dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Sie halten sich versteckt und fragen sich, wie lange sie diese Situation noch aushalten müssen.“ Die radikal-islamischen Taliban suchten sie, weil sie in ihren Augen für „Ungläubige“ tätig gewesen seien. „Wenn sie gefunden werden, haben sie keine Chance auf Leben mehr.“

Das Patenschaftsnetzwerk unterstützt die ehemaligen lokalen Helfer der Deutschen. Nekzai, der einst selbst in Afghanistan Ortskraft und Übersetzer im Dienst der Bundeswehr war, hält den Kontakt zu seinen Kollegen. Er erläutert, dass die Taliban ohne Pass niemanden ausreisen lassen. Auf dem Schwarzmarkt koste das Dokument fast 800 Dollar pro Person - für viele unbezahlbar. Immerhin 335 Menschen habe das Netzwerk dank privater Spenden retten können - über den Landweg erst in den Iran und schließlich nach Deutschland.

Nekzai hofft, dass künftig auch Hunderte Afghanen, die vor 2013 Ortskräfte der Bundeswehr waren, eine Aufnahme in Deutschland beantragen können. Die geltenden Regelungen lassen dies nicht zu. Dabei seien auch diese Menschen in Gefahr. Viele seien aus den nördlichen Regionen von Kundus, Masar-i-Sharif oder Faisabad - wo die Bundeswehr stationiert war - nach Kabul geflohen, um nicht gefunden zu werden. In ihren Heimatstädten seien manche von Nachbarn an die Taliban verraten worden. „Ich habe mit Kollegen gesprochen, die sagten: Wir sind jetzt in Kabul und wissen nicht, wo wir schlafen können.“ Zu vielen habe er auch den Kontakt verloren. „Einige benutzen kein Handy mehr, aus Angst, erwischt zu werden.“

Nekzai, der Ende 2014 nach Deutschland kam, kritisiert, dass die Ortskräfte jahrelang den Deutschen geholfen hätten und nun deswegen in Lebensgefahr seien. „Wir haben es nicht verdient, zurückgelassen und vergessen zu werden.“ Die Enttäuschung sei sehr groß.