Warnungen vor neuen "Querdenker"-Protesten im Herbst

Warnungen vor neuen "Querdenker"-Protesten im Herbst
Die "Querdenker"-Szene reorganisiert sich laut Extremismusforscher Andreas Zick zurzeit. Für den Herbst rechnet er mit neuen Protesten. Bundesinnenministerin Nancy Faeser erklärt derweil, die Polizei sei vorbereitet.

Bielefeld, Berlin (epd). Für den Herbst rechnet der Extremismusforscher Andreas Zick mit erneuten Demonstrationen der „Querdenker“-Szene. Anlässe für neue Protestaktionen könnten erneute Coronamaßnahmen und harte Energiesparmaßnahmen sein, sagte der Leiter des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Szene sei nie weg gewesen, sie organisiere sich lediglich neu. Laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ist die Polizei auf neue Proteste vorbereitet.

Zick sagte, die Feindbilder seien teilweise noch da und würden nun langsam ersetzt: „Merkel, Lauterbach und Drosten“ funktionierten nicht mehr. Sie würden etwa durch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und andere Politiker ersetzt, die als Feindbilder genutzt würden. Potenzielle Angriffsziele seien „alle, die lokal oder im Land 'Eliten' darstellen“. Unter dem Dach der „Querdenker“ hätten sich neue extremistische Allianzen gebildet, die gemeinsam handelten, warnte Zick. „Die neuen nationalistisch orientierten Gruppen sehen sich als Opfer, aber gehen ihrem Alltag in der Gesellschaft nach.“

Auch die SPD-Politikerin Faeser warnte vor neuen Protesten. „Demokratiefeinde warten nur darauf, Krisen zu missbrauchen, um Untergangsfantasien, Angst und Verunsicherung zu verbreiten“, sagte sie der „Welt am Sonntag“. Derzeit suchten solche Kreise nach neuen Themen mit Mobilisierungspotenzial. Zugleich betonte sie: „Die Polizei im Bund und in den Ländern ist auf das mögliche neue Protestgeschehen vorbereitet.“

Der Chef des Brandenburger Verfassungsschutzes, Jörg Müller, warnte gegenüber der Zeitung, dass Extremisten von einem „deutschen Wutwinter“ träumten. „Sie hoffen, dass Energiekrise und Preissteigerungen die Menschen besonders hart treffen, um die Stimmung aufzugreifen und Werbung für ihre staatsfeindlichen Bestrebungen zu machen“, erklärte er. Laut NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) werden in sozialen Netzwerken wie Telegram vermehrt Inhalte geteilt, bei denen es um Inflation, Energie und den Ukraine-Krieg geht.

Trotz der Warnung sagte der Wissenschaftler Zick, die sogenannte Verrohung der Gesellschaft sei kein Problem der Mehrheit der Gesellschaft. „Es geht um einflussreiche Minderheiten, die gesellschaftlichen Druck, Gewalt und Aggressionen ausüben.“ Es sei immer noch nicht angekommen, dass Konflikte in einem aufgeheizten gesellschaftlichen Klima immer weniger reguliert werden könnten. „Wir müssen präventiver denken und aufziehende gesellschaftliche Konflikte, die radikalisierbar sind, identifizieren und ernst nehmen“, mahnte der Extremismusforscher.