Urteil: Geburt in Deutschland begründet deutsches Asylverfahren

Urteil: Geburt in Deutschland begründet deutsches Asylverfahren

Luxemburg (epd). Ein im Bundesgebiet geborenes Kind geflüchteter Eltern hat in Deutschland Anspruch auf ein Asylverfahren. Das gilt auch, wenn die Eltern des Kindes in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) als Flüchtlinge anerkannt wurden und anschließend unrechtmäßig nach Deutschland weitergereist sind, urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Montag in Luxemburg. (AZ: C-720/20)

Im konkreten Fall ging es um eine aus Russland stammende Flüchtlingsfamilie tschetschenischer Herkunft. Das Paar und dessen Kinder wurden in Polen als Flüchtlinge anerkannt, siedelten dann aber im Dezember 2012 ohne Aufenthaltsgenehmigung nach Deutschland über. Dort lehnten die Behörden ihren Antrag auf Flüchtlingsschutz aufgrund der Anerkennung in Polen als unzulässig ab.

Zudem wurde der Familie die Abschiebung angedroht. Dazu kam es jedoch nicht, da die Familie Ende 2015 in Deutschland ein weiteres Kind bekam, für das ein deutscher Asylantrag gestellt wurde. Den deutschen Behörden zufolge war dieser Antrag jedoch unzulässig. Polen sei für ihn zuständig. Das Verwaltungsgericht Cottbus legte das Verfahren dem EuGH zur Prüfung vor.

Die Luxemburger Richter urteilten nun hingegen, dass Deutschland den Asylantrag des Kindes nicht wegen der Flüchtlingsanerkennung der übrigen Familienmitglieder in Polen als unzulässig hätte ablehnen dürfen. Nach geltendem europäischem Recht ist jener EU-Mitgliedstaat für das Asylverfahren zuständig, in dem der Flüchtling zuerst eingereist war.

Da das Kind jedoch in Deutschland geboren wurde, lasse sich der Einreisestaat im vorliegenden Fall nicht bestimmen. Damit müsse Deutschland das Asylverfahren durchführen, es sei denn, im Namen des Kindes sei ein schriftlicher Antrag auf Asyl in dem Land gestellt worden, in dem die Eltern als Flüchtlinge anerkannt wurden. Dies war im konkreten Fall jedoch nicht geschehen.