Kritik an Abschiebung von queeren Flüchtlingen

Kritik an Abschiebung von queeren Flüchtlingen

Berlin, Nürnberg (epd). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hat laut Menschenrechtlern entgegen einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) mehrfach Menschen die Anerkennung als Flüchtling verweigert, weil diese ihre Homosexualität in ihren Heimatländern verbergen würden. Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) hat nach eigenen Angaben Dutzende solcher Fälle recherchiert, einige von diesen liegen dem Evangelischen Pressedienst (epd) vor. LSVD-Bundesvorstandsmitglied Patrick Dörr sprach von „absurden Bescheiden“.

Grundlage für zahlreiche strittige Entscheidungen ist die sogenannte Diskretionsprognose des Bamf: Geht die Asylbehörde davon aus, dass ein queerer Geflüchteter seine sexuelle Identität in seinem Heimatland versteckt, also „diskret“ lebt, kann sie die Anerkennung als Schutzsuchender verweigern.

Allerdings hatte der EuGH bereits 2013 in einem Urteil klargestellt, Behörden könnten „vernünftigerweise nicht erwarten, dass der Asylbewerber seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung übt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden“. Im Dezember 2021 hatte die Nürnberger Behörde selbst geschrieben, eine solche Prognose könne sich nur „auf wenige Einzelfälle, in denen Antragstellende die diskrete Lebensweise aus eigenem, freiem Willen für sich akzeptieren“, beschränken.

LSVD-Bundesvorstandsmitglied Patrick Dörr verurteilte die Praxis der Asylbehörde. Das Problem bei Diskretionsprognosen sei, „dass das Bamf davon ausgeht, dass es queere Menschen gäbe, die aus einem inneren Bedürfnis heraus ein lebenslanges Doppelleben führen wollten“, sagte Dörr dem epd. Es sei zynisch, queeren Geflüchteten aus ihrer Angst und Scham einen Strick zu drehen. „Da solche Prognosen nicht seriös anzustellen sind, führen sie zwangsläufig immer wieder zu absurden Bescheiden.“

Das Bamf wies die Kritik zurück. Man handle im Einklang mit dem Urteil des EuGH, teilte ein Sprecher dem epd mit. Antragstellenden sei zwar nicht zuzumuten, bei einer Rückkehr in ihr Heimatland gefahrenträchtige Verhaltensweise vermeiden zu müssen. Würden diese allerdings erklären, dass sie „aus eigenem freien Willen“ ihre sexuelle Identität oder geschlechtliche Orientierung im Verborgenen ausleben, werde dies bei der Beurteilung der Verfolgungslage „berücksichtigt“.