Boeckler-Erhebung: Weiter erhebliche Unterschiede bei Azubi-Vergütung

Boeckler-Erhebung: Weiter erhebliche Unterschiede bei Azubi-Vergütung
Ein Handwerk, etwas Kaufmännisches oder Soziales? Welche Ausbildung Schulabgänger beginnen, ist nicht nur von Interessen und freien Lehrstellen abhängig. Auch die Höhe des "Lehrgelds" ist ein Weichensteller. Die Unterschiede für Azubis sind enorm.

Düsseldorf (epd). Die in Tarifverträgen vereinbarten Vergütungen für Auszubildende weisen laut einer aktuellen Auswertung je nach Branche und Region weiter erhebliche Unterschiede auf. Die Bandbreite reiche von 585 Euro im ersten Ausbildungsjahr des thüringischen Friseurhandwerks bis zu 1.580 Euro im vierten Lehrjahr des westdeutschen Bauhauptgewerbes, teilte die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung am Dienstag in Düsseldorf mit. Der Tarifexperte des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Stiftung, Thorsten Schulten, fordert eine weitere Anhebung der Vergütungen „gerade in den klassischen Niedriglohnbranchen“.

Die Ergebnisse beruhen auf einer Auswertung von 20 ausgewählten Tarifbranchen durch das WSI. Die höchste Ausbildungsvergütung wird demnach im ersten Jahr aktuell im Öffentlichen Dienst für Pflegeberufe gezahlt: Die angehenden Pflegekräfte erhalten 1.191 Euro (Bund und Gemeinden) beziehungsweise 1.161 Euro (Länder). Damit hätten die Tarifvertragsparteien auf den akuten Fachkräftemangel reagiert, erklärte das Institut. In privaten Pflegeeinrichtungen ohne Tarifvertrag könne die Entlohnung aber auch deutlich niedriger ausfallen.

Über 1.000 Euro pro Monat verdienen Azubis demnach außerdem im Versicherungsgewerbe mit bundeseinheitlich 1.070 Euro, gefolgt vom Öffentlichen Dienst, der chemischen Industrie in den Bezirken Nordrhein und Ost, der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg und Sachsen, sowie im Bankgewerbe, bei der Deutschen Bahn und in der Druckindustrie.

In lediglich sieben der durch das Institut untersuchten Tarifbranchen existieren bundesweit einheitliche Ausbildungsvergütungen, darunter das Backhandwerk, Bankgewerbe, Druckindustrie, Bahn und Öffentlicher Dienst. In 13 Branchen bestünden nach wie vor Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland, hieß es weiter. Die größten Abweichungen beziffert die Auswertung mit 165 beziehungsweise 169 Euro weniger im Monat in der ostdeutschen Textilindustrie und im Kfz-Handwerk. Demgegenüber lägen die Landwirtschaft und die Süßwarenindustrie im Osten mittlerweile leicht oberhalb des Westniveaus, hieß es.

Die niedrigsten Vergütungen im ersten Lehrjahr von zum Teil deutlich unter 800 Euro finden sich laut der Auswertung in der Landwirtschaft, dem Backhandwerk, der Floristik und dem Friseurhandwerk. Schlusslichter mit der gesetzlichen Mindestausbildungsvergütung von monatlich 585 Euro seien die ostdeutsche Floristik und das Friseurhandwerk in Thüringen. Die erheblichen Unterschiede zwischen den Branchen setzen sich demnach im zweiten und dritten Ausbildungsjahr fort.

Vor dem Hintergrund der hohen Preissteigerungen hätten es derzeit viele Auszubildende schwer, mit ihrem Verdienst über die Runden zu kommen, beklagte der Tarifexperte Schulten. Er verlangte eine weitere Anhebung der Vergütung in den Niedriglohnbranchen. Ohne eine deutliche Verbesserung der Ausbildungssituation werde dem zunehmenden Fachkräftemangel nicht beizukommen sein.