Flut: Klimaforscherin sieht "verpasste Chancen" beim Wiederaufbau

Flut: Klimaforscherin sieht "verpasste Chancen" beim Wiederaufbau
12.07.2022
epd
epd-Gespräch: Nora Frerichmann

Wuppertal (epd). Klimaschutz muss nach Ansicht der Klimawissenschaftlerin Anja Bierwirth beim Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe 2021 stärker berücksichtigt werden. Mit Blick auf den klimafreundlichen Aufbau von Verkehrs- und Energiesystemen sehe sie hier „verpasste Chancen“, sagte die Wissenschaftlerin vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Sie könne den Impuls verstehen, Zerstörtes schnell wieder aufzubauen, sagte die Leiterin des Forschungsbereichs Stadtwandel. Mit Blick auf den Wiederaufbaufonds von Bund und Ländern erklärte die Wissenschaftlerin: „Wir sehen, dass die Richtlinien auf den Wiederaufbau des Kaputten fokussiert sind, ohne zu hinterfragen, was kann man innovativer, energieärmer und klimaneutral gestalten.“ So gebe es im Wiederaufbaufonds teils zu starre Vorgaben, die Veränderungen zugunsten des Klimaschutzes nicht umfassend zuließen.

Einzelne Hochwasserschutz-Maßnahmen, wie etwa die Ausweisung neuer Überschwemmungsgebiete, reichten nicht aus, mahnte Bierwirth. Denn damit werde vor allem auf die Folgen von Hochwasserereignissen reagiert. Der menschengemachte Klimawandel trage aber grundsätzlich zur Verschärfung von Extremwetterereignissen bei. „Hier fehlt nach wie vor oft der Blick auf den größeren Zusammenhang“, kritisierte Bierwirth. Neben dem Hochwasserschutz müssen die Kommunen sich zudem stärker gegen die Folgen von Hitze, Dürre und Stürme wappnen.

Bei all dem wünsche sie sich von Land und Bund mehr Hilfestellung für die Kommunen und eine klarere Stringenz. Nötig sei unter anderem eine Verkehrswende mit einer deutlichen Reduktion des Autoverkehrs. Infrastrukturen müssten umgenutzt, Städte begrünt und weniger Flächen bebaut werden.

Nach der Flut habe sie keinen „Fukushima-Effekt“ beobachten können, sagte die Wissenschaftlerin. Nach dem Tsunami 2011 in Japan, infolgedessen es zu einer Kernschmelze im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi gekommen war, entschied Deutschland sich endgültig für einen Atomausstieg. Zwar diskutiere die Politik aktuell viel über die Nutzung erneuerbarer Energien, erklärte Bierwirth. Ausschlaggebend dafür sei aber nicht zwingend die Flutkatastrophe, sondern vor allem der Krieg in der Ukraine.