Energiearmut: Wirtschaftswissenschaftler Hickel fordert Solidarfonds

Energiearmut: Wirtschaftswissenschaftler Hickel fordert Solidarfonds
12.07.2022
epd
epd-Gespräch: Dieter Sell und Daniel Behrendt

Bremen (epd). Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel fordert aufgrund der drohenden Gasknappheit und der damit verbundenen massiv steigenden Versorgungskosten mit Blick auf finanziell schlechter gestellte Menschen einen Solidarfonds zum Ausgleich dramatisch erhöhter Preise. „Die wichtigste Aufgabe ist es, zu verhindern, dass zahlungsunfähige Personen über Nacht von der Energiezufuhr abgeschnitten werden“, sagte der Gründungsdirektor des Bremer Instituts Arbeit und Wirtschaft dem Evangelischen Pressedienst (epd). Gerate jemand in finanziell existenzielle Schwierigkeiten, reiche das Instrument der Privatinsolvenz nicht aus.

Durch die Energiekrise erzeugte Schulden sollten künftig durch einen über den Staat finanziell abgesicherten „Schuldenschnitt“ abgebaut werden, führte Hickel aus und mahnte: Die hohe Inflation, die durch die Energiepreise massiv zusammen mit steigenden Lebensmittelpreisen getrieben werde, führe bereits zum Rückgang der wirtschaftlichen Produktion und könne in eine handfeste Wirtschaftskrise und Verteilungskämpfe münden. In dieser Situation müsse der Staat gegensteuern und für seine Aufgaben zahlungsfähig bleiben. „Dazu gehört der Verzicht auf die Schuldenbremse“, bekräftigte Hickel.

Die sei schon immer falsch gewesen und werde jetzt auch noch zum Krisentreiber, warnte der Wirtschaftsexperte. Erforderlich sei eine volkswirtschaftlich abgestimmte Politik des finanzierenden Staates zusammen mit einer expansiven Geldpolitik, die auch in der Wirtschaft die verteuerte Kreditfinanzierung verhindere.

Um Pleiten zu verhindern, gibt es Hickel zufolge auch keine Alternative zur finanziellen Unterstützung energieintensiver Branchen. „Wie in der Corona-Krise sind die Unternehmen vor allem durch den Krieg Putins gegen die Ukraine unverschuldet in Schwierigkeiten geraten.“ Die unternehmerische Substanz über die Krise hinweg zu sichern, „das ist die Aufgabe der Politik“. Allerdings sollten die Hilfen zugleich mit dem ohnehin anstehenden Umbau der Energieproduktion und -nutzung gekoppelt werden.

Hilfen sollten grundsätzlich nicht per Gießkanne verteilt werden, riet Hickel. Er forderte beispielsweise Preisbremsen für finanzschwache Käufer, eine Ergänzung der Grundsicherung durch Ausgleichszahlungen und Hilfen für Pendler. „Einmalige Energiepauschalen“, sagte der Ökonom, „taugen nichts - und Tankrabatte sind Geschenke an die Mineralölmultis“.