Högel-Prozess: Staatsanwaltschaft stellt einen Mord infrage

Högel-Prozess: Staatsanwaltschaft stellt einen Mord infrage

Oldenburg (epd). Im Prozess gegen ehemalige Vorgesetzte des Patientenmörders Niels Högel hat die Staatsanwaltschaft überraschend Zweifel an zumindest einer Tötung durch den ehemaligen Intensivpfleger im Klinikum Oldenburg eingeräumt. Staatsanwältin Gesa Weiß habe sich in diesem Fall der Sicht der Verteidigung weitgehend angeschlossen, bestätigte ein Sprecher des Oldenburger Landgerichts am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie wolle jedoch noch Daten zur Medikamentengabe abwarten. Zuerst hatte die Oldenburger „Nordwest-Zeitung“ darüber berichtet.

Anders als die Verteidigung sehe Weiß jedoch die beiden weiteren zur Verhandlung stehenden Fälle im Klinikum Oldenburg als bestätigt an. Dem Sprecher des Landgerichts zufolge gebe es allerdings auch in diesen beiden Fällen Fragen, etwa ob Högel die Patienten mit dem Wirkstoff Ajmalin oder mit Kalium vergiftet habe. Vier frühere Vorgesetzte Högels aus dem Klinikum stehen derzeit vor Gericht. Sie sollen von seinen Taten gewusst haben, aber nicht eingeschritten sein.

Vertreter der Verteidigung hätten am Donnerstag eine Art Bilanz der bisherigen Zeugenaussagen gezogen, berichtete der Sprecher des Gerichts. Die Anwältinnen und Anwälte seien zu dem Schluss gekommen, dass in keinem der zur Verhandlung stehenden drei Todesfällen in Oldenburg eine Tötung durch Högel nachgewiesen werden könne. Welche Konsequenzen das Gericht aus dieser Entwicklung ziehe, bleibe abzuwarten, betonte der Sprecher.

Unter den insgesamt sieben Angeklagten sind Ärzte, ein früherer Geschäftsführer und Verantwortliche aus der Pflege aus dem Klinikum Oldenburg und dem damaligen Krankenhaus Delmenhorst. Ihnen wird Beihilfe zur Tötung durch Unterlassen vorgeworfen. Der Ex-Krankenpfleger Högel war am 6. Juni 2019 vom Oldenburger Landgericht zu einer lebenslangen Haft wegen 85 Morden verurteilt worden. Er hatte dem Urteil zufolge Patienten mit Medikamenten vergiftet, um sie anschließend reanimieren zu können. So wollte er als Lebensretter glänzen.