Missbrauchsbeauftragte: Zu wenige Menschen sehen Realität ins Auge

Missbrauchsbeauftragte: Zu wenige Menschen sehen Realität ins Auge

Berlin (epd). Die neue Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, will nach eigenen Worten dazu beitragen, der Bevölkerung die Augen über das Ausmaß sexualisierter Gewalt an Kinder und Jugendlichen zu öffnen. Sexualisierte Gewalt werde zwar als Bedrohung wahrgenommen, aber meist „nicht hier, nicht in meinem Umfeld, nicht in meiner Familie“, sagte Claus am Dienstag in Berlin. „Wir müssen dahinkommen, der Realität ins Auge zu blicken“, sagte die Unabhängige Beauftragte für Fragen sexuellen Kindesmissbrauchs.

Claus präsentierte Ergebnisse einer Umfrage, wonach zwar fast 90 Prozent der Menschen in Deutschland davon ausgehen, dass Missbrauch vor allem in der eigenen Familie stattfindet. Nur elf Prozent halten es aber für wahrscheinlich, dass es in ihrer eigenen Familie der Fall ist. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hatte den Angaben zufolge dafür im vergangenen Herbst 2.005 Menschen befragt.

Claus will stärker für Gefahren im eigenen Umfeld sensibilisieren. „Nur wer es im persönlichen Umfeld für möglich hält, beginnt über Schutzräume nachzudenken“, sagte sie.

Für den Herbst plant Claus eine Kampagne, die Menschen auf das Thema aufmerksam machen soll. Sie sei auf mehrere Jahre angelegt, sagte Claus, die nach eigenen Worten noch um die Finanzierung bangt. Die damalige Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) habe bereits Geld dafür zugesagt. Offen sei noch, ob der neue Bundestag nun das Geld bewilligt. Benötigt werden Claus zufolge fünf Millionen Euro pro Jahr.

Claus hat im April die Nachfolge von Johannes-Wilhelm Rörig als Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung angetreten. Sie war Mitglied im Betroffenenrat des Unabhängigen Beauftragten sowie im Nationalen Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen und arbeitete beruflich in der Politik- und Strategieberatung zum Thema sexualisierte Gewalt. Sie hat einen langen Weg der Aufarbeitung einer eigenen Missbrauchserfahrung in der evangelischen Kirche hinter sich.