Högel-Prozess: Gericht befasst sich mit Morden in Delmenhorst

Högel-Prozess: Gericht befasst sich mit Morden in Delmenhorst
Patientenmörder wirft Verteidigung Verdrehung seiner Aussagen vor
Verkehrte Welt im Prozess gegen die früheren Chefs des Patientenmörders Högel: Bereits zum zweiten Mal im Prozessverlauf zweifelt die Verteidigung an, dass er für bestimmte Todesfälle verantwortlich ist. Doch der Ex-Pfleger beharrt auf seine Taten.

Oldenburg (epd). Im Prozess gegen sieben ehemalige Vorgesetzte des Patientenmörders Niels Högel sind am Donnerstag erstmals dessen Mordtaten im Krankenhaus Delmenhorst besprochen worden. Wie schon an den vergangenen Verhandlungstagen zu den Morden im Klinikum Oldenburg verwies der Zeuge Högel auf Erinnerungslücken. Doch ausgerechnet beim letzten Mordfall musste er geradezu darauf bestehen, die Patientin R. vergiftet zu haben (Az.: 5 Ks 20/16).

Auch am sechsten Verhandlungstag befragten die Verteidiger Högel nach Details seiner Taten und Vernehmungen, die bereits viele Jahre zurückliegen. Immer wieder verwiesen sie auf sich widersprechende Aussagen Högels bei den polizeilichen Vernehmungen. Ein Anwalt drückte gar sein Verständnis aus. Ihm scheine es unmöglich angesichts der vielen Morde, sich an Einzelheiten und Namen zu erinnern. Zudem lägen die Taten viele Jahre zurück.

Doch als ein Verteidiger nahelegte, Högel könne seinen letzten Mord möglicherweise lediglich geschlussfolgert haben, wehrte sich der Patientenmörder aufgebracht und sehr aggressiv. Er sei es leid, immer wieder zu den selben Dingen befragt zu werden. Er wisse um seine Position und dass die Verteidiger versuchten, seine Glaubwürdigkeit anzuzweifeln: „Sie können mir vorhalten was sie wollen, aber sie dürfen mir nicht die Worte im Mund verdrehen - nur weil es dann besser für ihre Mandanten passt.“ Er bleibe dabei, dass er der Patientin R. das Medikament Sotalex verabreicht habe, sagte Högel.

Nach Ansicht des Prozessbeobachters und Psychiatrie-Professors Karl H. Beine bemüht sich die Verteidigung, die Aussagekraft von Högels Äußerungen insgesamt infrage zu stellen. „Die Strategie ist klar: Wenn Högel hier im aktuellen Verfahren keine Tötung nachgewiesen werden kann, kann es auch kein Urteil für die Mandanten geben“, sagte Beine am Rande des Prozesses.

Högel steht im Prozess gegen seine früheren Vorgesetzten als Zeuge vor Gericht. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hätten sie seine Mordtaten mit an „Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ verhindern können. Allen Angeklagten sei von bestimmten Zeitpunkten an klar gewesen, dass von Högel eine Gefahr für die Patienten ausgehe. Zur Verhandlung stehen drei Tötungsdelikte in Oldenburg und fünf in Delmenhorst.

Unter den Angeklagten sind Ärzte, Verantwortliche aus der Pflege und ein früherer Geschäftsführer. Ihnen wird Beihilfe zur Tötung durch Unterlassen vorgeworfen. Der Ex-Krankenpfleger Högel war am 6. Juni 2019 vom Oldenburger Landgericht zu einer lebenslangen Haft wegen 85 Morden verurteilt worden. Bereits 2015 war er wegen weiterer Tötungen verurteilt worden. Er hatte Patienten mit Medikamenten vergiftet, um sie anschließend reanimieren zu können. So wollte er als Lebensretter glänzen. Er verbüßt seine Strafe in der Justizvollzugsanstalt Oldenburg.