Berlin (epd). Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Bundeswehr aufrüsten. In seiner Regierungserklärung am Sonntag im Bundestag kündigte Scholz ein „Sondervermögen Bundeswehr“ an, das im Bundeshaushalt 2022 einmalig mit 100 Milliarden Euro ausgestattet werden soll. Nach eigenen Worten will er dieses Sondervermögen im Grundgesetz verankern und bat dafür das Parlament um Unterstützung. Zudem kündigte er an, dass Deutschland von nun an „Jahr für Jahr“ mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung investieren werde. 2021 lag der Verteidigungsetat bei rund 47 Milliarden Euro.
Es gelte zu verhindern, dass der Krieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf andere Länder in Europa übergreife, sagte Scholz. Das bedeute, „ohne Wenn und Aber“ zur Beistandspflicht im Militärbündnis Nato zu stehen. Putin „sollte unsere Entschlossenheit nicht unterschätzen, gemeinsam mit unseren Alliierten jeden Quadratmeter des Bündnisgebiets zu verteidigen“. Dafür brauche die Bundeswehr „neue, starke Fähigkeiten“.
Erneut verurteilte Scholz das Vorgehen Putins. Es sei ein „infamer Völkerrechtsbruch“, sagte der Kanzler. Er sprach von einer „Zeitenwende“. Dauerhaft sei Sicherheit in Europa nicht gegen Russland möglich. „Auf absehbare Zeit aber gefährdet Putin diese Sicherheit“, sagte Scholz.
Der Bundeskanzler selbst hatte um die Sondersitzung des Parlaments gebeten. Auf der Besuchertribüne verfolgten Altbundespräsident Joachim Gauck und der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk die Debatte. Melnyk wurde mit langem stehenden Applaus der überwiegenden Mehrheit der Abgeordneten begrüßt.
Die Oppositionsparteien CDU und CSU sagten der Bundesregierung in der Debatte Unterstützung für den Kurs gegen Putin zu. Man sei darum bemüht, einen gemeinsamen Weg in der Zeit einer großen Herausforderung zu gehen, sagte der Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz (CDU) am Sonntag im Bundestag. Er machte dabei aber Einschränkungen bei Scholz' Vorschlag für ein Sondervermögen für die Bundeswehr. Das bedeute neue Schulden, sagte Merz. Deshalb müsse man über die Folgen für die kommende Generation reden.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) schloss sich Scholz' Bitte um Unterstützung der Union für das Sondervermögen an und wandte sich dabei auch an die anwesenden Regierungschefs und -chefinnen der Bundesländer. Es sei eine Investition in die Zukunft, sagte er. Die Zeit der Vernachlässigung der Bundeswehr müsse enden.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ging in ihrer Rede nicht direkt auf das Sondervermögen ein. „Wenn unsere Welt eine andere ist, dann muss auch unsere Politik eine andere sein“, sagte sie und verteidigte die Entscheidung, nun doch Waffen an die Ukraine zu liefern. Putins Krieg mache es nötig, „dass wir die Grundfesten unseres außenpolitischen Handels neu ziehen“, sagte Baerbock. Die Bundesregierung hatte am Samstag entschieden, der Ukraine unter anderem mit 1.000 Panzerabwehrwaffen sowie 500 Boden-Luft-Raketen vom Typ „Stinger“ zu schicken.