Bundespräsidentenwahl startet mit Gottesdienst

Bundespräsidentenwahl startet mit Gottesdienst

Berlin (epd). Vor der Wahl des Bundespräsidenten sind am Sonntagmorgen Teilnehmer der Bundesversammlung zu einem ökumenischen Gottesdienst in Berlin zusammengekommen. In seiner Predigt unterstrich der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Karl Jüsten, die Bedeutung von Werten und Haltung für die Demokratie. Große Herausforderungen könnten nur bewältigt werden, wenn jede und jeder einzelne dazu bereit sei, das Gute nicht nur zu wollen, sondern es auch zu tun.

Dabei betonte er, die überwältigende Mehrheit im Land empfinde, denke und handele auf diese Weise. „Unsere Demokratie ist stabil“, sagte Jüsten vor den Delegierten der Versammlung, die am Nachmittag das deutsche Staatsoberhaupt wählen soll. Zum Gottesdienst, der mit jüdischer und muslimischer Beteiligung gestaltet wurde, kamen Vertreter aller Verfassungsorgane, neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD), Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundesratspräsident Bodo Ramelow (Linke) und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth.

Steinmeier kandidiert bei der Bundesversammlung für eine zweite Amtszeit. Als Mitbewerber stellen sich der von der Linken aufgestellte Sozialmediziner Gerhard Trabert, der von der AfD aufgestellte Ökonom Max Otte und die von den Freien Wählern nominierte Astrophysikerin Stefanie Gebauer zur Wahl. Die Bundesversammlung hat dieses Mal 1.472 Mitglieder: alle Bundestagsabgeordneten und genauso viele von den Landtagen nominierte Wahlmänner und -frauen, darunter auch Prominente aus Sport, Kultur und Wissenschaft.

Jüsten dankte Steinmeier, dass er in seiner ersten Amtszeit einen besonderen Schwerpunkt auf die Stabilisierung der freiheitlichen Demokratie gelegt habe. Er ging in seiner Predigt auch auf die Debatte um den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche ein. Auch an dieser Krise zeige sich, dass große Herausforderungen nur mit guter Gesinnung und Haltung bewältigt werden könnten, sagte er. Sie sei nicht mit Kommunikationsstrategien und Kampagnen zu bewältigen, „sondern nur mit Haltung, mit Wahrhaftigkeit und Demut“.

Institutionelles Versagen müsse klar identifiziert und auch persönliche Schuld müsse eingeräumt werden, sagte Jüsten: „Und nur der kann auf Verzeihung hoffen, der zum persönlichen Schuldbekenntnis und echter Umkehr fähig ist.“ Im kürzlich vorgestellten Gutachten über Missbrauch im Erzbistum München gab es auch Vorwürfe gegen Kardinal Joseph Ratzinger, den späteren Papst Benedikt XVI. Er bat daraufhin Opfer um Entschuldigung, Kritiker und Betroffene vermissten aber ein konkretes Eingeständnis der Fehler und die Übernahme von Verantwortung durch den katholischen Theologen.