Hirnforscher sieht in der Erziehung zur Demokratie "enormes Defizit"

Hirnforscher sieht in der Erziehung zur Demokratie "enormes Defizit"

Bremen (epd). Angesichts der Angriffe auf Politik und Staat bei Protesten gegen die Corona-Maßnahmen fordert der Bremer Hirnforscher Gerhard Roth ein deutlich größeres Engagement der Schulen. „In der Schule müssen die Wurzeln der Demokratie gelegt werden, doch das geschieht nicht in der Weise, in der es dringend nötig wäre“, sagte Roth dem Bremer „Kurier am Sonntag“.

„Die Kinder lernen oft nicht zu unterscheiden, was Geschwätz und was gut begründet ist, wer sie überzeugen und wer sie manipulieren will“, kritisierte der Wissenschaftler. Sie lernten oft nicht, die Meinung anderer zu dulden und zu unterscheiden, wo Meinungsfreiheit an Grenzen stößt: „In der Erziehung zur Demokratie gibt es leider ein enormes Defizit.“

In der Gegnerschaft zu den Corona-Schutzmaßnahmen sieht der Neurobiologe auch ein archaisches Verhalten. „Menschen lebten über Jahrtausende in kleinen Gruppen und hatten immer irgendwelche Gegner oder Feinde. Es gab immer Abgrenzungen samt Riten und Ritualen.“ Corona-Leugner seien fest davon überzeugt, dass nur sie die Wahrheit kennen würden und sich alle anderen an der Nase herumführen ließen.

„Das Gefühl, im Besitz der Wahrheit zu sein, im Gegensatz zu anderen, sich also über sie zu erheben, beflügelt Gehirn und Psyche außerordentlich“, erläuterte Roth. Es führe zum Ausstoß von körpereigenen Drogen und Glücksgefühlen: „Das ist ein großes Bindungserlebnis. Es schweißt diese Menschen zusammen.“ Zu einer möglichen allgemeinen Impfpflicht sagte Roth, sie könne „bei dem einen oder anderen“ wirken, aber: „Ich schätze, dass die Zahl der unbeirrbaren Impfverweigerer leider kaum unter zehn Prozent der Bevölkerung zu bringen ist.“