Bundestag debattiert offen über Corona-Impfpflicht

Bundestag debattiert offen über Corona-Impfpflicht
In der ersten Bundestagsdebatte über eine Impfpflicht sprechen sich die meisten Rednerinnen und Redner für eine Impfpflicht aus. Appelle, dabei Maß zu halten und gute Argumente gegen eine allgemeine Pflicht zur Immunisierung, finden aber auch Gehör.

Berlin (epd). In einer mehrstündigen Orientierungsdebatte des Bundestags hat sich eine Mehrheit der Rednerinnen und Redner für die Einführung einer Corona-Impfpflicht ausgesprochen - aber auch der stellvertretende Bundestagspräsident Wolfgang Kubicki (FDP) erhielt viel Beifall für seine Argumente gegen eine Impfpflicht. Abgeordnete von CDU und CSU nutzten ihre Redezeit vor allem, um erneut zu kritisieren, dass die Bundesregierung keinen eigenen Gesetzentwurf vorlegt, sondern die Entscheidung den Abgeordneten überlässt. Etliche Parlamentarier schilderten Persönliches.

Zum Auftakt der Debatte warben die Vize-Fraktionsvorsitzenden von SPD und Grünen, Dagmar Schmidt und Kirsten Kappert-Gonther für eine Impfpflicht ab 18 Jahren. Sie sei gerechtfertigt, um eine hohe Impfquote zu erreichen, sagte Schmidt. Kappert-Gonther erklärte, eine Impfpflicht für Ältere reiche nicht aus. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Heike Baehrens warb dafür, „dass wir uns angesichts einer ungewissen Zukunft für einen Weg der bewussten Vorsorge entscheiden“. Bei aller Unsicherheit gebe es „die Gewissheit, dass Impfen schützt.“

Die Union rückte ihre Kritik an der Regierung ins Zentrum. Keinen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen sei eine „Flucht aus der Verantwortung“, sagte Günter Krings (CDU). Andrea Lindholz (CSU) forderte ein Impfregister für eine bessere Datengrundlage. Sie sprach sich, ebenso wie Krings und der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge (CDU), für eine Impfpflicht aus, ließ Einzelheiten aber offen.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) rief dazu auf, mildere Alternativen zu einer Impfpflicht ab 18 Jahren zu prüfen. Wenn die Gruppe der über 50-jährigen Ungeimpften die größte Sorge bereite, müsse eine gestufte Impfpflicht ernsthaft erwogen werden, sagte er. Ein entsprechender Antrag kommt von dem FDP-Abgeordneten und Arzt Andrew Ullmann, der außerdem für ein verpflichtendes Beratungsgespräch warb als erstem Schritt zu mehr Impfungen.

Die Linken-Abgeordnete Kathrin Vogler bezeichnete eine Impfpflicht als „ultima ratio“. Ihr Fraktionskollege Gregor Gysi lehnte eine allgemeine Impfpflicht ab. Der Linken-Parlamentarier Matthias Birkwald plädierte für eine freie Entscheidung und schilderte, dass er sie trotz schmerzlicher Erfahrungen auch selbst getroffen habe. Sein Vater war einen Tag nach der Impfung gestorben, „was offiziell keinen Zusammenhang mit der Impfung hatte, sich aber nach wie vor völlig anders anfühlt“, sagte Birkwald.

Der FDP-Politiker Kubicki, der als erster einen Antrag gegen eine Impfpflicht angestoßen hatte, sagte, es gebe viele gute Gründe für eine Impfung, die Gründe für eine Impfpflicht überzeugten ihn jedoch nicht. Persönlich habe er die Tage seiner Impfungen als „Freedom Days“ empfunden, sagte Kubicki. Als Liberaler warne er aber davor, dass der Staat oder eine Mehrheit für eine Minderheit festlegen wolle, was vernünftig ist.

Obwohl die Abgeordneten über fraktionsübergreifende Anträge aus der Mitte des Parlaments entscheiden wollen, warf AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla der Regierung „autoritäre Bestrebungen“ vor. Die Co-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel nannte die Einführung einer Impfpflicht einen „autoritären Amoklauf gegen die Grundfesten der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung“.

Der Bundestag debattierte am Mittwoch erstmals über die mögliche Ausweitung einer Corona-Impfpflicht. Ab Mitte März gilt eine solche Pflicht im Gesundheits- und Pflegewesen. Im Bundestag gibt es die Vorschläge, sie entweder für alle Erwachsenen ab 18 Jahre oder nur für Ältere auszuweiten. Eine weitere Gruppe lehnt eine allgemeine Corona-Impfpflicht ab. Für die Debatte lagen noch keine konkreten Anträge vor. Dies soll nun nachgeholt werden und bis Ende März eine Entscheidung fallen.