Forscher: Gedenkstätten können Schüler in den Bann ziehen

Forscher: Gedenkstätten können Schüler in den Bann ziehen
22.01.2022
epd
epd-Gespräch: Karen Miether

Aachen (epd). Schülerinnen und Schüler sollten nach Ansicht des Aachener Geschichtsdidaktikers Christian Kuchler Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus besuchen. Eine Pflicht zu solchen Fahrten, wie sie immer mal wieder gefordert wird, hält der Professor für Didaktik der Geschichtswissenschaften aber nicht für sinnvoll. „Dem könnte jeder Schüler einfach entgehen, indem er sich krankmeldet“, sagte Kuchler im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

„Es ist Aufgabe des Geschichtsunterrichtes, den Schülerinnen und Schülern die Bedeutung solcher Besuche klarzumachen“, sagte er. Für sich genommen dürften diese aber nicht überschätzt werden. „Die Demokratie ausgerechnet an dem Ort zu lernen, wo Menschenrechte und Demokratie am weitesten entfernt waren: Ich weiß nicht, ob das geht“, ergänzte er. „Aber es ist sicherlich ein Mosaikstein.“

Allein schon über das Gelände zu gehen und dabei einen Eindruck von den Dimensionen der früheren Konzentrationslager zu bekommen, beeindrucke Jugendliche, erläuterte Kuchler, der Schulbesuche im früheren Vernichtungslager Auschwitz untersucht hat. Wenn wie in Auschwitz historische Gebäude oder Berge von Schuhen der dort Ermordeten hinzukämen, sei dies manchmal überwältigend. Aber auch Gedenkstätten wie die des früheren Konzentrationslagers Bergen-Belsen in Niedersachsen hinterließen einen Eindruck, obwohl dort nur wenige historische Spuren zu sehen seien.

Es sei deshalb wichtig, Besuche gut vorzubereiten, betonte Kuchler. In Schülerberichten sei oft von Angst oder einem mulmigen Gefühl bei der Anreise nach Auschwitz die Rede. Bei der Vorbereitung würden häufiger Filme wie „Schindlers Liste“ über das Lager Auschwitz gezeigt als solche wie „Am Ende kommen die Touristen“, der von dem erzähle, was Auschwitz heute sei - eine Gedenkstätte. Das präge Erwartungen und könne für Ängste sorgen. Oft vertieften sich die Schülerinnen und Schüler vor Ort in die Position der Opfer, von der Rolle der Täter sei wenig die Rede. „Das ist pädagogisch auch ein Problem.“

Gedenkstätten seien keine „antifaschistischen Waschmaschinen“, als die sie ein Politiker mal bezeichnet habe. Dennoch könne ein Besuch dort nachhaltig Haltungen mit prägen, ist Kuchler überzeugt. Die Jugendlichen sollten mit ihren Eindrücken nicht allein gelassen werden. „Dabei reicht es nicht über Fakten zu reden, sondern auch über Emotionen muss gesprochen werden, am besten noch am selben Tag“, betonte er. „So eine Fahrt fordert die Schüler emotional mehr als jede andere Schulfahrt.“