Knapp 2.000 Menschen bei Gedenkmarsch für Oury Jalloh in Dessau

Knapp 2.000 Menschen bei Gedenkmarsch für Oury Jalloh in Dessau
17 Jahre nach dem Tod des afrikanischen Asylbewerbers Oury Jalloh in der Zelle eines Dessauer Polizeireviers forderten am Freitag Demonstranten die Aufklärung der Umstände seines Todes.

Dessau-Roßlau (epd). In Dessau-Roßlau (Sachsen-Anhalt) sind am Freitag in Erinnerung an den vor 17 Jahren in einer Polizeizelle ums Leben gekommenen Oury Jalloh Hunderte Menschen auf die Straße gegangenen. Der Protestzug der Initiative in Gedenken an den aus Sierra Leone stammenden Asylbewerber, für den bundesweit mobilisiert wurde, führte unter dem Motto „No justice, no peace - Wir fordern Aufklärung!“ quer durch die Stadt.

Die Zahl der Teilnehmenden wuchs im Laufe der Demonstration an, die Polizei sprach von 1.900 Menschen, aus Teilnehmerkreisen wurden 2.300 genannt. Die Polizei sicherte den Zug mit einem Großaufgebot. Wie in den Vorjahren gab es Zwischenkundgebungen, unter anderem am Sitz von Staatsanwaltschaft und Landgericht. Ziel war das Polizeirevier Wolfgangstraße.

Die Umstände, unter denen der damals 36-Jährige umkam, sind bis heute unklar. Nach offizieller Behördenversion soll er sich im Keller des Polizeireviers, an Händen und Füßen gefesselt, auf einer feuerfesten Matratze selbst angezündet haben. Brandgutachter, Mediziner und Kriminologen erklärten dagegen wiederholt, dass dies nicht möglich sei.

Der Protestzug am Freitag verlief nach Polizeiangaben zunächst weitgehend friedlich. Im Kurznachrichtendienst Twitter wurde vom Einsatz von Böllern berichtet. Auf das Gebäude der Staatsanwaltschaft wurden in Anspielung auf die Todesursache Feuerzeuge geworfen worden.

Erst im November hatte ein britischer Brandsachverständiger ein neues Gutachten vorgestellt. Darin kam er zu dem Ergebnis, dass Jalloh von Polizisten angezündet worden sein müsse und zuvor „höchstwahrscheinlich“ mit einer brennbaren Flüssigkeit wie Benzin übergossen wurde.

Familie und Freunde des Toten wollen eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegen die damals diensthabenden Polizisten erzwingen. Das Multikulturelle Zentrum Dessau forderte die Beamten laut „Mitteldeutscher Zeitung“ dazu auf, „eine Gewissensentscheidung für den Rechtsstaat und gegen den Korpsgeist zu treffen und eine Aussage zu machen“.

Ähnlich äußerte sich die Fraktionschefin der Grünen im Magdeburger Landtag. „Seit 17 Jahren appellieren wir an die damalige Besetzung des Polizeireviers, das Schweigen zu brechen und Strafverfolgung zu ermöglichen“, erklärte Cornelia Lüddemann. Die Grünen würden einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zustimmen, fügte sie hinzu.

„Nie lagen so viele Fakten auf dem Tisch, die zeigen, dass sich Oury Jalloh nicht selbst angezündet haben kann, wie heute“, sagte die Linken-Landtagsabgeordnete Henriette Quade. Es möge zutreffend sein, dass eine juristische Aufklärung im Sinne der Verurteilung eines Täters unwahrscheinlich sei, weil sich keine neuen Zeugen fänden. Umso wichtiger sei es, die politische Aufarbeitung voranzutreiben.

Bereits in der Nacht zu Freitag hatte es einen Brandanschlag auf das Justizzentrum in Halle gegeben. Nach Mitternacht wurde dort nach Polizeiangaben eine Matratze am Eingang angezündet. In einem Bekennerschreiben heißt es offenbar in Anspielung auf den Tod von Jalloh: „Feuer und Flamme den Repressionsbehörden“. Bewusst habe man sich für eine Matratze entschieden, die auf „ungeklärte Weise entzündet“ worden sei.