Debatte über Impfpflicht weiter kontrovers

Debatte über Impfpflicht weiter kontrovers
Der Bundestag wird in Kürze über die Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht beraten. Eine Entscheidung soll bis Ende März fallen. Unterdessen sind Mediziner und Verbandsvertreter in der Frage gespalten.

Frankfurt a.M. (epd). Die Debatte über die Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht wird weiter kontrovers geführt. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, lehnt eine allgemeine Impfpflicht weiter ab. Hingegen fordert Kinderärztepräsident Thomas Fischbach „eine allgemeine Impfpflicht, und zwar sofort“, um die Impflücke bei den Erwachsenen zu schließen. Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) rief die Erwachsenen auf, sich auch zum Schutz von Kindern und Jugendlichen gegen das Coronavirus impfen zu lassen.

Der Bundestag will sich in diesem Monat in einer Orientierungsdebatte mit dem Thema befassen. Die stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Dagmar Schmidt und Dirk Wiese, hatten am Donnerstag erklärt, man wolle den Januar dafür nutzen, eine breite gesellschaftliche Debatte zu ermöglichen. Ursprünglich war eine erste Debatte im Parlament schon für Anfang Januar geplant. Ein Abschluss des Gesetzgebungsprozesses wird nun für das erste Quartal des Jahres, also bis Ende März angestrebt. Der Bundestag hatte im vergangenen Jahr bereits eine Impfpflicht für das Personal von Einrichtungen beschlossen, in denen besonders durch Covid-19 gefährdete Menschen versorgt, behandelt oder betreut werden. Sie gilt ab Mitte März

Gassen sagte der „Rheinischen Post“ (Freitag), Impfen sei das wirksamste Instrument im Kampf gegen das Virus. „Trotzdem halte ich nach wie vor nicht viel von einer Impfpflicht“, sagte der KBV-Chef. Er verwies auf organisatorische Hindernisse, um das Vorhaben in kurzer Zeit starten zu können. Das fange beim Impfregister an: „Wer soll das unter Wahrung des Datenschutzes erstellen, wo soll es gepflegt werden? Bis wir dies alles erarbeitet haben, ist die Corona-Gefahr vermutlich wirklich vorbei.“ Ein weiteres Problem sei die nachlassende Wirksamkeit des Impfstoffes, sagte Gassen.

Ähnlich argumentierte Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein: „Solange die Impfung nicht ausreichend lange vor einer Infektion schützt, macht eine Impfpflicht keinen Sinn. Die Kontrolle weiterer notwendiger Booster-Impfungen würde Staat und Bürger stark belasten“, sagte Preis der „Rheinischen Post“ (Freitag).

Hingegen kritisierte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Fischbach, die Politik habe sich viel zu lange vor dem unbequemen Thema gedrückt und wolle die Impfpflicht nun auf die lange Bank schieben. „Das wäre fatal, denn umso länger müssen Kinder und Jugendliche unter den Einschränkungen leiden“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitag). „Kinder dürften nicht länger dafür herhalten müssen, die wirklich Gefährdeten, also ungeimpfte Erwachsene, zu schützen. Denn das ist unanständig“, so Fischbach.

Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) rief Erwachsene auf, sich auch zum Schutz von Kindern und Jugendlichen gegen das Coronavirus impfen zu lassen. „Ich appelliere besonders an Eltern, Erzieherinnen und Erzieher und Lehrkräfte: Seien Sie solidarisch“, sagte sie der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Freitag). Die Fünf- bis Elfjährigen könnten erst seit Mitte Dezember geimpft werden und auch die meisten 12- bis 17-Jährigen seien noch nicht beim Boostern angelangt

Nach den Feiertagen rund um den Jahreswechsel sind die Infektionszahlen in Deutschland deutlich gestiegen. Am Freitag meldete das Robert Koch-Institut für die zurückliegenden 24 Stunden 56.335 Neuinfektionen, die Sieben-Tage-Inzidenz stiegt bundesweit auf 303,4, von 285,9 am Vortag. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. 264 weitere Menschen starben im Zusammenhang mit dem Virus, womit sich die Zahl der Corona-Toten in Deutschland auf 113.632 erhöhte.