American Jewish Committee warnt vor Antisemitismus der AfD

American Jewish Committee warnt vor Antisemitismus der AfD
Die Corona-Pandemie stärkt das Bedürfnis nach einfachen Antworten auf Fragen nach möglichen Schuldigen. Die AfD schürt einer Studie zufolge mit ihren Antworten auf gefährliche Weise Verschwörungstheorien, Rassismus und Antisemitismus.

Berlin (epd). Angesichts einer wachsenden Zahl an antisemitischen Straftaten in Deutschland beklagt das American Jewish Committee (AJC) mangelndes öffentliches Bewusstsein für Antisemitismus der AfD. Während ideologische Elemente in der Auseinandersetzung mit der AfD Gegenstand einer intensiven Debatte seien, werde dem Antisemitismus in der Partei zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, kritisierte die Organisation am Freitag in Berlin.

Antisemitismus sei in der AfD nicht auf den ehemaligen „Flügel“ beschränkt, warnte der Leiter des AJC Berlin, Remko Leemhuis, bei der Vorstellung einer Studie unter dem Titel „Die Mobilisierung des Ressentiments“. Die vorgebliche Solidarität der Partei mit Israel sei taktisch.

Der Studienautor und Sozialwissenschaftler Lars Rensmann von der Rijksuniversiteit Groningen in den Niederlanden betonte in der für den AJC erstellten Analyse, die öffentliche „pro-jüdische“ und „pro-israelische“ Positionierung der AfD sei lediglich eine Instrumentalisierung für die eigene Propaganda der Partei.

Die angebliche Spaltung zwischen „gutem Volk“ und einer vermeintlich korrupten Elite sei immer schon ein Anknüpfungspunkt für Antisemitismus gewesen, betonte der Wissenschaftler: „Die AfD spielt auf dieser Partitur aktiv.“ Solidarität mit Israel werde von der AfD für antimuslimische Politik instrumentalisiert. Gleichzeitig werde der Mythos von jüdischen Strippenziehern gepflegt, die als Urheber einer Weltverschwörung durch gezielte Migration einen Bevölkerungsaustausch herbeiführten.

Der Bundesbeauftragte für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, wies auf wachsenden Zulauf für rechtspopulistische Parteien hin. Deren Ziel sei es, autoritäre Einstellungen und Nationalismus zu aktivieren. Dazu gehöre die Relativierung des Nationalsozialismus als „Vogelschiss der Geschichte“.

Rechtspopulisten hingen einem Weltbild an, dass aus Gegensätzen zwischen einem angeblich guten Volk und einem äußeren Feindbild beruhe, sagte Klein. In diesem Rahmen werde die Gleichwertigkeit aller Menschen abgelehnt. Rechtspopulistische Denkmuster seien „zu 100 Prozent anschlussfähig an antisemitische Ressentiments“.

Antisemitismus sei in allen gesellschaftlichen Gruppen relevant, beklagte Klein. Studien belegten, dass er bei 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung vorhanden sei: „Damit ist Judenhass in der Mitte der Gesellschaft zu Hause“, warnte er.

Die Zahl der antisemitischen Straftagen nehme zu, sagte Klein unter Hinweis auf den Anschlag von Halle im Oktober 2019. Dort habe sich „die tödliche Dimension von Judenhass erneut gezeigt“. Vor diesem Hintergrund forderte er eine ausgewogene Mischung aus repressiven und präventiven Maßnahmen. In Zeiten der Corona-Pandemie sei die Sehnsucht nach einfachen Antworten stärker denn je.

Je höher der Grad an Ideologisierung und je geschlossener das Weltbild, desto schwieriger sei es, die Anhänger der AfD mit Argumenten zu erreichen, sagte der Autor der Studie über mögliche Gegenmaßnahmen. Er forderte dazu auf, die Migrationsgesellschaft so zu gestalten, dass der fanatisierte Anteil der Bevölkerung im Rahmen gehalten wird.