Politologe: Regierung darf Impfskeptiker nicht in die Enge treiben

Politologe: Regierung darf Impfskeptiker nicht in die Enge treiben
14.12.2021
epd
epd-Gespräch: Urs Mundt

Osnabrück (epd). Der Osnabrücker Politik- und Verwaltungswissenschaftler Roland Czada warnt die Politik davor, Menschen ohne Corona-Schutzimpfung in die Enge zu treiben. „Eine Minderheit dieser Minderheit traut dem Staat nicht“, sagte Czada am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Wird sie weiter bedrängt und stigmatisiert, könnte daraus eine Radikalisierung entstehen, die wir nicht mehr loswerden.“ Czada hatte bis 2019 den Lehrstuhl für Staat und Innenpolitik an der Universität Osnabrück inne.

„Wir müssen eine Gesellschaftsspaltung vermeiden“, sagte der Experte. Die Politik dürfe Ungeimpfte nicht ausgrenzen, indem sie ihnen „etwa mit der 2G-Regel Weihnachtseinkäufe verwehrt und damit auch dem Einzelhandel massiv schadet“. Viele Bürger fragten sich, warum ein negativer Corona-Test für die Arbeit ausreiche, Einkaufen für Ungeimpfte aber vielfach nicht mehr erlaubt sei. Solche Maßnahmen seien unverhältnismäßig und mit Blick auf die Folgen nicht ausreichend durchdacht. Denn jede Zwangsmaßnahme erfordere Überwachung und müsse bei Verstößen sanktioniert werden.

„Regeln, die nicht durchsetzbar sind, schaden dem Vertrauen in den Staat am meisten“, erläuterte Czada. Mit Drohgebärden signalisiere der Staat, dass er den Bürgern nicht traue. Dies beschädige wiederum das Vertrauen in den Staat. „Vertrauen ist in einem Gemeinwesen das höchste Gut. Eine Regierung darf nicht der populistischen Versuchung erliegen, den starken Staat zu markieren und Maßnahmen zu verfügen, die sie letztlich nicht umsetzen kann.“ Als Beispiel dafür nannte Czada die allgemeine Impfpflicht. „Das könnte verwaltungstechnisch leicht in die Hose gehen. Ich bin gespannt, wie die Österreicher das machen werden. Immerhin hat man dort ein zentrales Impfregister, das in Deutschland hochumstritten ist.“

Hinzu komme, dass die Möglichkeiten der freiwilligen Impfung noch immer nicht ausgeschöpft seien. „Nicht alle Ungeimpften sind Impfverweigerer“, betonte der Politologe. „Wer sagt, in Deutschland habe jeder die Gelegenheit gehabt, sich impfen zu lassen, kennt die Situation nicht.“ Der Staat müsse dezentrale, niederschwellige Angebote schaffen. Wenn ein Impfzentrum die umständliche Vereinbarung eines Termins verlange, sei die Schwelle oft schon zu hoch. Impfungen müssten spontan möglich sein, etwa zwischen den Einkäufen in der Fußgängerzone.

Bei allem dürfe die Politik den stillen Protest der Bürger nicht unterschätzen, sagte Czada weiter. Nur wenige derer, die mit der Corona-Politik nicht zufrieden seien, gingen auf Kundgebungen. „Den zweifach Geimpften wurde lange gesagt, dass sie vollständig geschützt sind und sich im Alltag frei bewegen können. Dann sollten sie weiterhin Maske tragen und die Abstandsregeln befolgen.“ Bei der 2G-plus-Regel müssten sie jetzt noch einen Testnachweis vorlegen. „Viele fühlen sich von der Politik getäuscht.“