Libyen-Experte: Milizen werden vor Präsidentschaftswahl aktiver

Libyen-Experte: Milizen werden vor Präsidentschaftswahl aktiver
12.12.2021
epd
epd-Gespräch: Mey Dudin

Berlin, Tunis (epd). In Libyen nehmen die Aktivitäten der Milizen vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen nach Angaben des Experten der Konrad-Adenauer-Stiftung, Thomas Volk, spürbar zu. Auch weil noch bis zu 20.000 Söldner im Land seien, könnten die gewaltsamen Auseinandersetzungen jederzeit wieder aufflammen, sagte Volk, der für die Stiftung das Regionalprogramm Politischer Dialog im Südlichen Mittelmeerraum in Tunis leitet, dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Daher ist die zentrale Frage, was am Tag nach der Wahl geschieht.“

Die Präsidentschaftswahl ist für den 24. Dezember geplant - und damit am 70. Jahrestag der Unabhängigkeit Libyens. Als Kandidat will arabischen Medien zufolge auch Saif al-Islam al-Gaddafi antreten, der Sohn des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi. Das Parlament soll später gewählt werden. Derzeit ist eine Übergangsregierung im Amt.

Nach Einschätzung von Volk ist es wahrscheinlich, dass die unterlegene Seite das Ergebnis anfechtet. Libyen könnte dann wieder in eine neue chaotische Phase abdriften. Der Experte der CDU-nahen Stiftung hob hervor, dass noch nicht einmal klar sei, auf welcher verfassungs- oder wahlrechtlichen Grundlage die Wahlen ausgerichtet würden. Viele Libyer forderten aus dem Grund, dass es zunächst ein Verfassungsreferendum geben müsse.

Zugleich verwies Volk auf die weiterhin starke politische Fragmentierung im Land, die höchst brisant und gefährlich sei. Hinzu komme ein „Sammelsurium an egozentrischen, nur an die persönliche Karriere denkenden männlichen Protagonisten“.

Nach dem Sturz Gaddafis 2011 hatten Milizen die Macht in dem rohstoffreichen Wüstenland übernommen und es nach und nach ins Chaos gestürzt. Erst mit dem sogenannten Berliner Prozess, den die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Januar 2020 mit einer internationalen Konferenz in Berlin startete, verbesserte sich die Lage allmählich.

Die Situation der Flüchtlinge und Migranten auf dem Weg nach Europa ist jedoch laut Volk nach wie vor „katastrophal“. Neben vermutlich einem Dutzend offizieller Aufnahmelager, sei die Dunkelziffer an irregulären Einrichtungen, die von Milizen betrieben würden und zu denen internationale Organisationen keinen Zutritt hätten, um ein vielfaches höher.