Entwicklungsberater: Libanon muss religiösen Proporz überwinden

Entwicklungsberater: Libanon muss religiösen Proporz überwinden

Berlin, Beirut (epd). Der Libanon muss nach Einschätzung des Entwicklungsberaters Fadi Riachi das von Religionsgruppen getragene politische System überwinden. Nötig sei ein säkularer Staat, in dem nur jene an die Macht kämen, die den Menschen dienen wollten, für Sicherheit sorgten und gute Beziehungen mit dem Rest der Welt pflegten, sagte der Leiter des Beratungsunternehmens Bridges-Josour für lokale Entwicklung in einem Beitrag für epd video. Es könne nicht mehr weitergehen wie bisher, wo der Libanon eine Quelle der regionalen Instabilität sei und organisiertes Verbrechen exportiere.

Riachi, der seit mehr als 30 Jahren Staaten und Organisationen wie die Weltbank bei Projekten in der arabischen Welt berät, erläuterte mit Blick auf den Gewaltausbruch im Oktober, wie schnell aus politischen Gründen religiöse Spannungen erzeugt werden können. Anhänger der schiitischen Amal-Partei und Milizionäre der Hisbollah waren in christliche Viertel marschiert, um gegen Ermittlungen zur verheerenden Explosion am Hafen von Beirut im August 2020 zu protestieren. Es kam zu einem tödlichen Feuergefecht. Laut Riachi wollte die radikal-islamische Hisbollah Unfrieden stiften, um von den Ermittlungen abzulenken.

Die Detonation am Beiruter Hafen hatte die bestehende Wirtschafts- und Finanzkrise im Libanon noch einmal verschärft: das Zentrum der Stadt wurde verwüstet und Gebäude noch Kilometer weiter beschädigt. Mehr als 200 Menschen kamen ums Leben, Tausende weitere wurden verletzt. Grund für die Explosion waren 2.700 Tonnen Ammoniumnitrat, die jahrelang offenbar mit dem Wissen von Regierungsmitgliedern ungesichert im Hafen gelagert waren.

Dass viele Libanesinnen und Libanesen nun auswandern, sieht Riachi indes nicht mit Sorge. Aus dem Libanon wanderten Menschen seit mehr als hundert Jahren aus. Sie kämen dann mit anderen Kulturen in Kontakt, was sie bereichere. Wenn nur zehn Prozent der Ausgewanderten zurückkehrten, sei das auch für das Land eine große Bereicherung. Er wies auf den weltberühmten Schriftsteller Khalil Gibran hin, der nur auf seine spezielle Art und Weise habe schreiben können, weil er auch in Städten wie Boston und New York gelebt habe. So würden große Geister geschaffen.