Fackelaufmarsch vor Privathaus sächsischer Ministerin

Fackelaufmarsch vor Privathaus sächsischer Ministerin
Sachsen hat die höchsten Corona-Infektionszahlen, zugleich wächst und radikalisiert sich der Protest gegen die Schutzmaßnahmen. Zum wiederholten Male werden Politiker in ihrem privaten Umfeld eingeschüchtert.

Freiberg, Grimma (epd). Erneut haben Gegner der Corona-Schutzmaßnahmen am Freitagabend unangemeldet in mehreren sächsischen Städten demonstriert. In Freiberg stoppte die Polizei einen Protestzug von rund 50 Teilnehmern. Bei Grimma zogen etwa 30 Personen mit Fackeln vor das Haus von Landesgesundheitsministerin Petra Köpping (SPD). Der Polizeiliche Staatsschutz ermittelt, zahlreiche Politiker bekundeten ihre Solidarität mit Köpping.

Eine Polizeisprecherin sagte am Samstag, die Teilnehmer hätten vor Köppings Haus gerufen, gepfiffen und Plakate mit sich geführt. Bei Eintreffen der Polizei seien sie geflüchtet. Auf Twitter bezogen sich die „Freien Sachsen“ auf die Aktion. Die „Freien Sachsen“ werden vom Verfassungsschutz als rechtsextremistische und verfassungsfeindliche Bestrebung eingestuft.

Der Vorfall ereignete sich in einem kleinen Ort in der Nähe von Grimma, südöstlich von Leipzig. Laut Polizei war die Ministerin während des Fackelaufmarsches zu Hause. Die Polizei konnte einen Teil der Flüchtigen stellen und 15 Fahrzeuge stoppen. Insgesamt 25 Identitäten seien festgestellt worden, sagte eine Sprecherin.

Ermittelt werde wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und Verstößen gegen die Corona-Schutzverordnung. Eventuelle weitere rechtliche Verstöße würden geprüft, der Polizeiliche Staatsschutz sei eingeschaltet.

SPD-Chefin Saskia Esken drückte auf Twitter volle Solidarität mit ihrer sächsischen Parteigenossin aus: „Auch wenn die paar Hansel da versuchen, Angst und Schrecken zu verbreiten: die Vernunftbegabten und Verantwortungsbereiten sind die große Mehrheit, und die steht an Deiner Seite!“ Ihr scheidender Co-Parteivorsitzender Norbert-Walter Borjans sagte im Deutschlandfunk, er scheue sich nicht, den Protest „faschistoid“ zu nennen. Alle vernünftigen Bürger müssten dagegen klar Stellung beziehen.

Die sächsische Justizministerin Katja Meier (Grüne) sprach auf Twitter von einem „absoluten Tabubruch“. Auch die Linke des Landes solidarisierte sich mit Köpping und äußerte „tiefe Abscheu gegenüber solchen Formen des Protestes“. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) müsse endlich aufwachen und seine Kolleginnen und Kollegen schützen.

Ähnliche Vorfälle hatte es in der Vergangenheit auch schon vor dem Wohnhaus von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) in Ostsachsen gegeben. Linken-Innenexperte André Hahn beklagte im Deutschlandfunk, im Freistaat seien Aktivitäten von Corona-Leugnern, sogenannten Querdenkern und Impfgegnern viel zu lange bagatellisiert worden.

In Freiberg, wo zu Wochenbeginn rund 700 Personen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen demonstriert hatten, unterband die Polizei am Freitagabend eine nicht angemeldete Versammlung. Trotz der geltenden Beschränkungen und Polizei-Ansprache hatte sich eine Gruppe von Personen zu einem Protestmarsch in Bewegung gesetzt. Von insgesamt 30 Teilnehmern des Aufzugs seien die Identitäten festgestellt worden, teilte die Polizei mit. Ihnen droht jeweils ein Bußgeld von 250 Euro.

Sachsen hatte am Samstag erneut mit 1.235 Fällen je 100.000 Einwohnern die höchste Sieben-Tage-Inzidenz aller Bundesländer.