Experten: Anthroposophie nicht verantwortlich für geringe Impfquote

Experten: Anthroposophie nicht verantwortlich für geringe Impfquote
Anthroposophische Ärzte sowie anthroposophische Kliniken beteiligen sich aktiv an der Impfkampagne und an der intensivmedizinischen Behandlung von Covid-19-Patienten. Sie wehren sich gegen den Vorwurf, die Anthroposophie sei pauschal impfkritisch.

München, Berlin (epd). Die Gesellschaft Anthroposophischer Ärztinnen und Ärzte in Deutschland (GAÄD) hat Impfungen ausdrücklich als eine der wichtigen Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie und zum Schutz der Bevölkerung begrüßt. Viele anthroposophische Ärztinnen und Ärzte sowie die anthroposophischen Kliniken beteiligten sich aktiv an der Impfkampagne und an der intensivmedizinischen Behandlung von Covid-19-Patienten, sagte der Kinder- und Jugendarzt und Leiter der GAÄD-Akademie in München, Georg Soldner, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Kritik, wonach anthroposophische Ideen mit schuld an der geringen Impfbereitschaft gegen das Coronavirus seien, wies er zurück.

Auch nach Ansicht des Theologen Kai Funkschmidt ist die Anthroposophie zu Unrecht bei der Debatte über Corona-Leugner und Impfskeptiker in den Fokus geraten. Sie sei nicht allein verantwortlich für die geringe Corona-Impfquote, sagte der Referent für Esoterik und Okkultismus bei der Evangelischen Zentrale für Weltanschauungsfragen in Berlin dem epd. Das passe rein statistisch nicht. Der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland gehören rund 12.000 Menschen an. Selbst zu ihren Hochzeiten in den 80er Jahren habe sie nie mehr als rund 60.000 Mitglieder gehabt.

Wie der Mediziner Soldner weiter erklärte, beteiligen sich anthroposophische Kliniken in Deutschland und der Schweiz aktiv an der Versorgung von Covid-Patientinnen und -Patienten. Anthroposophische Ärztinnen und Ärzte sähen sich als Teil der Lösung, wenn es um die Eindämmung der Pandemie gehe, erklärte der Arzt weiter: „Dazu gehören eindeutig die Impfungen und differenzierte Präventionskonzepte, gerade im Blick auf die Kindergesundheit.“

Dies belegten auch Zahlen aus dieser Woche: Die Klinik Havelhöhe in Berlin versorge aktuell bei insgesamt 350 Betten 33 Covid-Patientinnen und Patienten, davon 21 auf Normalstation, elf Patienten auf der Intensivstation beatmet und einen Patienten mit „künstlicher Lunge“ (ECMO). Hinzu komme ein sehr aktives ambulantes Impfzentrum.

Das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke bei Dortmund behandelt den Angaben zufolge derzeit 31 Patienten, davon fünf auf Intensivstation. Ein Patient wurde aus den Niederlanden verlegt. Die Filderklinik Stuttgart mit 300 Betten behandele zwölf Patienten auf Isolierstation und vier auf der Intensivstation, alle beatmet (Stand: 29. November). Soldner erinnerte daran, dass sich die internationale anthroposophische Ärzteschaft bereits Anfang dieses Jahres für eine freie und verantwortungsvolle Impfentscheidung ausgesprochen habe.

Die Anthroposophie (wörtlich: „Weisheit vom Menschen“) ging aus dem Lebenswerk des Universalgelehrten Rudolf Steiner (1861-1925) hervor. Bekannt sind heute vor allem auf dieser Weltanschauung basierende Praxisfelder in Pädagogik, Landwirtschaft, Kunst und Medizin: Waldorfpädagogik, biologisch-dynamischer Landbau, anthroposophische Medizin in Praxen und Kliniken, Pharmaka und Kosmetika.