Verfassungsrechtler Heinig schlägt Impfpflicht-Ultimatum vor

Verfassungsrechtler Heinig schlägt Impfpflicht-Ultimatum vor
29.11.2021
epd
epd-Gespräch: Franziska Hein

Göttingen (epd). Der Staats- und Kirchenrechtler Hans Michael Heinig schlägt ein Ultimatum zur Einführung einer Impfpflicht vor. Wenn eine epidemiologisch erforderliche Impfquote bis zu einer festgelegten Frist nicht erreicht werde, sollte eine Pflicht greifen, sagte der Professor für Öffentliches Recht an der Universität Göttingen dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Montag. Zugleich müsse die Politik einen Aktionsplan beschließen, mit dem die bisherigen Schwächen der Impfkampagne gezielt beseitigt würden.

Die Frist für eine solche „konditionierte Impfpflicht“ könnte dem Vorschlag zufolge beispielsweise im März ablaufen. „Aus rechtsstaatlichen Gründen müsste ein Verfahren zur Bestimmung der Impfquote festgelegt werden, etwa ein Bundestagsbeschluss auf Grundlage eines Berichts des Robert Koch-Instituts“, sagte Heinig. Die zu erreichende Impfquote müsste nach wissenschaftlichen Erkenntnissen bei etwa 90 Prozent liegen.

Wenn sich trotz aller Anstrengungen des Staates und vieler zivilgesellschaftlicher Akteure eine hinreichende Impfquote nicht einstelle, weil sich eine Minderheit der Impfung aus irrationalen Gründen verweigere und dadurch dem Gemeinwohl in erheblichem Maße Schaden zufüge, seien weitergehende rechtliche Regelungen durchaus gerechtfertigt, betonte Heinig. „Der Staat darf dann eine Normalitätserwartung auch gesetzlich normieren: Wer kann, muss sich impfen lassen.“

Während es bei der gleichfalls diskutierten Impfpflicht für das Pflegepersonal um den Schutz besonders vulnerabler Personengruppen gehe, sei Ziel einer allgemeinen Impfpflicht eine so erhebliche Abdämpfung des Infektionsgeschehens, dass man mit deutlich weniger Hygienemaßnahmen auskomme. „Wer eine solche Pflicht verletzt, wird sanktioniert, man bekommt etwa ein Bußgeld auferlegt. Ausdrücklich nicht gewollt ist hingegen ein Impfzwang, den die Polizei zur Not mit Gewalt durchsetzt“, erklärte Heinig.

Bislang sei es der Politik zu selten gelungen, sich „vor die Welle zu setzen“. „Wir brauchen in der Corona-Politik weniger Kurzatmigkeit, weniger Situationen, in denen man nur in alarmistischer Erregung überhaupt handlungsfähig ist“, betonte der Jurist. Deshalb sei es wichtig, jetzt nicht nur die laufende vierte Welle zu brechen, sondern auch an die Perspektiven für 2022 zu denken. Mehrere weitere Corona-Winter wie der jetzige führten zu gewaltigen gesellschaftlichen Schäden. „Nach heutigem Wissensstand kann eine hohe Impfquote - und nur diese - solche Schäden abwenden.“