KZ-Prozess: Sachverständiger bestätigt Identität des Angeklagten

KZ-Prozess: Sachverständiger bestätigt Identität des Angeklagten
Verhandelt wird seit zwölf Tagen, aber immer noch ist die Frage der Identität des Angeklagten nicht abschließend geklärt. In einem der letzten Prozesse um NS-Unrecht hoffen Betroffene weiter auf Aufklärung.

Brandenburg an der Havel (epd). Im Prozess wegen Beihilfe zu tausendfachem Mord im KZ Sachsenhausen hat ein Sachverständiger vor dem Landgericht Neuruppin Verwechslungen bei der Identität des Angeklagten ausgeschlossen. Der Historiker Stefan Hördler betonte am Freitag, auf den Listen des SS-Totenkopf-Wachbataillons tauche Josef S. als Name nur einmal auf. Der 101-jährige Josef S. soll laut Anklage zwischen Oktober 1941 und Februar 1945 im KZ Sachsenhausen als Wachmann gearbeitet haben. Der Hochbetagte ist nur wenige Stunden am Tag verhandlungsfähig. (AZ: 11 Ks 4/21)

Mit Blick auf die Identität des in Litauen geborenen Angeklagten schloss der Sachverständige auch mögliche Fehler durch phonetische Namensübertragungen aus dem Litauischen ins Deutsche aus. Nach Abgleich aller Akten gehe er davon aus, dass es sich bei dem Angeklagten um den in den Akten verzeichneten SS-Wachmann handelt. Ein dem Namen Josef S. zugeordnetes Geburtsdatum in einer SS-Akte, 16.1.1920 anstatt 16.11.1920, sei ein Schreibfehler. Unter anderem legte der Experte für das KZ-System der Nazis dem Gericht Truppenstammrollen aus den Jahren 1941 und 1943 als Belege vor.

Josef S. bestritt auf Nachfrage erneut, als Wachmann im KZ-Sachsenhausen im Einsatz gewesen zu sein. Auf die neuerliche Frage des Vorsitzenden Richters Udo Lechtermann, wo er zwischen 1941 und 1945 denn dann gewesen sei, kündigte Verteidiger Stefan Waterkamp eine Erklärung des Angeklagten für den nächsten Verhandlungstag am kommenden Donnerstag an. Diese sei in Arbeit und müsse von Josef S. aber noch genehmigt werden.

Um der Verhandlung besser zu folgen, trägt der Angeklagte einen Kopfhörer. Das Gericht tagt coronabedingt in einer Turnhalle. Zudem kann Josef S. auf einem Bildschirm Beweismaterial, unter anderem die von dem Historiker vorgelegten Akten, einsehen.

Zur Klärung des Aufenthaltsortes von Josef S. zwischen 1941 und 1945 machte ein Vertreter der insgesamt 16 Nebenkläger am Freitag die „Beweisanregung“, die Tochter des Angeklagten anzuhören. Außerdem muss das Gericht über einen weiteren Antrag auf Zulassung einer Nebenklage entscheiden. In dem seit Anfang Oktober laufenden Verfahren sind Überlebende des KZ Sachsenhausen und Nachkommen ehemaliger Häftlinge als Nebenkläger beteiligt, darunter aus Israel, Peru, Polen, den Niederlanden und Frankreich.

In der Befragung zu seinem Lebenslauf hatte sich der Angeklagte zu Beginn des Verfahrens zwar zu Kindheit und Armeezeit in Litauen, Kriegsgefangenschaft und DDR-Zeit geäußert, jedoch nicht zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft.

Josef S. muss sich laut Anklage wegen Beihilfe zum grausamen und heimtückischen Mord in 3.518 Fällen verantworten. Die Tätigkeit von S. ist demnach auf verschiedenen Unterlagen aus der Zeit vermerkt, auch die Beförderung zum SS-Rottenführer.

In dem Verfahren geht es um die Erschießung sowjetischer Kriegsgefangener, die Ermordung von Häftlingen durch Giftgas und um die Tötung von Häftlingen durch die Schaffung und Aufrechterhaltung von lebensfeindlichen Bedingungen.