Rufe nach schärferen Corona-Maßnahmen und Sorge um Impfkampagne

Rufe nach schärferen Corona-Maßnahmen und Sorge um Impfkampagne
Angesichts bedrohlich steigender Corona-Zahlen mahnen Ärzte und Experten weitere Maßnahmen an und rufen eindringlich zum Impfen auf - auch mit Blick aufs nächste Jahr.

Frankfurt a.M. (epd). Die weiter steigenden Corona-Zahlen lassen Forderungen nach schärferen Maßnahmen und Kritik am bisherigen Krisenmanagement immer lauter werden. Um die aktuelle Welle zu brechen, sind nach Ansicht von Ärztevertretern strengere Kontaktbeschränkungen nötig. Zugleich müsse die Impfkampagne schneller vorankommen - besonders mit Blick auf die langfristige Eindämmung des Virus. Auf scharfe Kritik stieß die Ankündigung des Gesundheitsministeriums, den Biontech-Impfstoff in den kommenden Wochen zu deckeln.

„Einen Tag nach der Forderung von Kanzlerin Merkel, alle so schnell wie möglich zu boostern, wirft das Gesundheitsministerium Brocken in das Impfgetriebe“, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) der „Bild am Sonntag“. Der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Klaus Holetschek (CSU) aus Bayern, nannte die Lieferbegrenzungen inakzeptabel, sie zerstörten Vertrauen. Ähnlich äußerten sich Vertreter der Ärzteschaft. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung betonte: „Das Impftempo droht verlangsamt zu werden.“

Das Gesundheitsministerium in Berlin unterstrich hingegen am Wochenende, es sei genug Impfstoff da, nämlich rund 24 Millionen Dosen Biontech und 26 Millionen Dosen Moderna. Der geschäftsführende Minister Jens Spahn (CDU) hatte für die Impfärzte eine Kontingentierung der Bestellmengen bei Biontech-Dosen angekündigt und darauf verwiesen, dass sich das Lager dieses Impfstoffs derzeit schnell leere und Millionen Dosen des Vakzins Moderna genutzt werden könnten, die in den kommenden Monaten abliefen.

Beide Impfstoffe seien sicher, wirksam und gleich gut für Auffrischungsimpfungen, betonte das Ministerium. Es gibt auch Studien, die ein Boostern mit dem jeweils anderen Vakzin als wirkungsvoller nahelegen. Menschen unter 30 sollen jedoch mit Biontech geimpft werden.

Um die aktuelle Welle zu brechen, hält die Ärztegewerkschaft Marburger Bund die neuen Maßnahmen des geänderten Infektionsschutzgesetzes für unzureichend. Der Verband fordert unter anderem den Verzicht auf Großveranstaltungen. „Wir haben in Deutschland viel zu lange wie das Kaninchen auf die Schlange gestarrt und uns nicht bewegt, so dass jetzt kleinere Bewegungen leider nicht mehr reichen“, sagte die Vorsitzende Susanne Johna der „Rheinischen Post“ (Samstag).

Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, mahnte mehr Impfungen an, sowohl in der Gruppe der ungeimpften Erwachsenen als auch beim Boostern. Er gehe zwar nicht von einem schnellen Erfolg aus, aber langfristig werde das helfen, sagte er dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Samstag). Mertens rechnet mit einer fünften Corona-Welle. Wie stark sie ausfalle, hänge „maßgeblich davon ab, wie viele Menschen sich impfen und boostern lassen“.

Das Schließen „der unverändert bestehenden Impflücke bei den Erwachsenen“ sei ein entscheidendes Element, um auch die vierte Corona-Welle zu brechen, betonte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, in der „Rheinischen Post“ (Samstag). „Denn es sind vor allem die ungeimpften älteren Erwachsenen, die mit schweren Verläufen in den Kliniken liegen und hier zu zunehmenden, regional unterschiedlich ausgeprägten Engpässen führen.“

Nach einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage ist gut die Hälfte der Menschen in Deutschland für eine Corona-Impfpflicht. 52 der Befragten hätten sich in einer Insa-Erhebung für die „Bild am Sonntag“ dafür ausgesprochen, meldete das Blatt. 41 Prozent seien dagegen. Für die Antwort „weiß nicht/keine Angabe“ entschieden sich sieben Prozent.

Am Sonntag, einem Tag mit in der Regel geringeren Zahlen, meldete das Robert Koch-Institut (RKI) 42.727 bestätigte Neuinfektionen. Die Zahl der bisherigen Corona-Toten lag am Wochenende bei 99.062. Die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen stieg auf einen neuen Rekordwert von 372,7.