Hilfsorganisationen fordern Zugang zu Flüchtlingen an EU-Außengrenze

Hilfsorganisationen fordern Zugang zu Flüchtlingen an EU-Außengrenze
An der polnisch-belarussischen Grenze stranden immer mehr Menschen beim Versuch, in die EU zu gelangen. Unter ihnen sind auch Jesiden aus dem Irak, die seit dem Überfall der Terrormiliz "Islamischer Staat" auf ihre Dörfer keine Heimat mehr haben.

Berlin (epd). Hilfsorganisationen pochen auf einen raschen Zugang zu den Flüchtlingen an der polnisch-belarussischen Grenze. Die polnische Regierung müsse internationale Organisationen wie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR oder „Ärzte ohne Grenzen“ zu den Menschen lassen, um sie zu versorgen, erklärte die stellvertretende Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty, Julia Duchrow, am Mittwoch in Berlin. Amnesty wirft Polen vor, Flüchtlinge an der Grenze zurückzuweisen, ohne ihnen Zugang zu einem Asylverfahren zu geben. Damit verstoße das Land gegen internationales Recht. Die Bundesregierung setzt indes auf ein gemeinsames europäisches Vorgehen.

Seit Monaten versuchen Menschen aus Staaten wie Afghanistan oder dem Irak über Belarus in die EU zu gelangen. Deren Zahl hat sich zuletzt deutlich erhöht. EU-Spitzenpolitiker werfen dem belarussischen Staatschef Alexander Lukaschenko vor, die Menschen mit Versprechungen einer leichten Einreise anzulocken und dann an die Grenze zu Polen, Litauen oder Lettland zu schleusen. Nach Medienberichten hängen immer wieder Flüchtlinge oder Migranten im Grenzgebiet fest.

Unter ihnen sind nach Erkenntnissen des Zentralrats der Jesiden in Deutschland auch einige Hundert Angehörige der religiösen Minderheit, die traditionell in der irakischen Sindschar-Region beheimatet ist. Der stellvertretende Vorsitzende Irfan Ortac forderte von der Europäischen Union im Gespräch mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch) die Aufnahme der an der EU-Außengrenze gestrandeten Flüchtlinge. „Europa muss Verantwortung für die von Völkermord und Krieg verfolgten Jesidinnen und Jesiden zeigen und die Menschen aufnehmen, die ein Recht auf Schutz in Europa haben“, sagte er.

Menschen jesidischen Glaubens flüchteten aus dem Irak, weil sie dort auch nach Vertreibung der Terrormiliz „Islamischer Staat“ keinen Frieden gefunden hätten. „Noch immer harren Tausende in Flüchtlingscamps aus, können sich kein neues Zuhause aufbauen“, mahnte er.

Dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte Ortac, dass die Sindschar-Region nach wie vor zerstört und Tummelplatz von mindestens acht Milizen sei. Weder Deutschland noch die Europäische Union hätten derweil einen außen- und entwicklungspolitischen Masterplan für den Nahen Osten. Deshalb habe es zunächst der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan geschafft, Flüchtlinge als Druckmittel zu benutzen, und heute sei es eben der belarussische Machthaber Lukaschenko: „Morgen wird es jemand anders sein.“ Denn Europa mache sich mit der eigenen Politik erpressbar.

Nach seinen Informationen bekämen Jesidinnen und Jesiden derzeit für einige hundert Dollar ein Transitvisum nach Belarus, sagte Ortac. Damit dürften sie aber nur wenige Tage oder Wochen in dem Land bleiben und müssten schnell weiterreisen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) telefonierte derweil laut Bundespresseamt mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und bat ihn, „auf das Regime in Minsk einzuwirken“. Ihr Sprecher Steffen Seibert sagte, Menschen seien von Belarus „in eine Falle gelockt worden“. Den an der Grenze gestrandeten Menschen versprach die Bundesregierung Hilfe, ohne konkret zu werden. Seibert betonte mit Blick auf die betroffenen Jesiden, in dem Maße, in dem die EU in einer solchen, „eindeutig illegalen Weise“ herausgefordert werde, komme sie nicht dazu, über sinnvolle humanitäre legale Wege der Migration nachzudenken und diese zu fördern.

Außenminister Heiko Maas (SPD) erklärte, dass sich niemand ungestraft „an Lukaschenkos menschenverachtenden Aktivitäten beteiligen“ dürfe. Diese Botschaft werde an die Herkunfts- und Transitstaaten der Menschen ebenso wie Fluggesellschaften gehen, mit Hilfe derer die Menschen „nach Belarus geshuttled werden“. Nach Angaben seiner Sprecherin wollen die EU-Außenministerinnen und -Außenminister am Montag in Brüssel unter anderem auch darüber beraten.