Kassenärzte: Vielstimmige Empfehlungen erschweren Booster-Impfungen

Kassenärzte: Vielstimmige Empfehlungen erschweren Booster-Impfungen
In der Diskussion um Corona-Auffrischungsimpfungen haben die Kassenärzte deutlich gemacht, dass sie für ihre Arbeit klare Ansagen statt unterschiedlicher Empfehlungen brauchen. Aber auch die Ärzteverbände sind sich nicht einig.

Berlin (epd). In die Debatte um Corona-Auffrischungsimpfungen und einen Fahrplan für den Winter haben sich am Dienstag die Kassenärzte eingemischt. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, appellierte in Berlin an die Politik, dafür zu sorgen, dass die Praxen ihre Arbeit machen könnten. So müsse etwa die Impfstoffbestellung vereinfacht werden, sagte er. Bis Ende des Jahres kommen nach den aktuellen Empfehlungen etwa 15 Millionen Menschen für eine Auffrischungsimpfung (Booster) in Frage.

Die Länder wollen unterdessen die Impfungen in Pflege- und Altenheimen vorantreiben und für das Personal unabhängig vom Impfstatus zweimal wöchentlich Corona-Tests vorschreiben. Das geht aus einem Antrag von Bayern für die nächste Gesundheitsministerkonferenz am Freitag in Lindau hervor, die das Bundesgesundheitsministerium veröffentlichte. Einzelne Länder haben bereits andere Regelungen. In Rheinland-Pfalz gilt ab kommender Woche für nicht geimpfte Mitarbeiter von Kliniken, Alten- und Pflegeeinrichtungen eine tägliche Testpflicht. Dies sehen die Bestimmungen der neuen, am Dienstag in Mainz vorgestellten Anti-Corona-Verordnung des Landes vor.

Unterschiedliche Empfehlungen gibt es auch für die Auffrischungs-Impfungen. Die Gesundheitsminister der Länder empfehlen sie ab 60 Jahre, und werden alle über 60-jährigen Bürgerinnen und Bürger über die Empfehlung informieren, wenn sie dies in Lindau beschließen sollten.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt die Booster-Impfung hingegen erst für Menschen ab 70 Jahre, sobald die letzte länger als sechs Monate her ist, sowie für alle, die mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson geimpft wurden und Menschen, deren Immunsystem geschädigt ist. Der Stiko-Vorsitzende Thomas Mertens sagte in Berlin, diese Gruppen hätten ein erhöhtes Risiko, schwer zu erkranken. Die Stiko berät Mertens zufolge derzeit aber auch darüber, ob die Empfehlungen erweitert werden.

Einstweilen brächten aber die unterschiedlichen Äußerungen viel Unruhe in die Haus- und Facharztpraxen, die inzwischen rund zwei Millionen Menschen ein drittes Mal geimpft haben. KBV-Chef Gassen sagte, man brauche klare Ansagen, um in den Praxen nicht zu viel Zeit mit Diskussionen zu verlieren. Die niedergelassenen Ärzte richteten sich nach den Stiko-Empfehlungen, wonach zunächst die Schwächsten und die über 70-Jährigen geimpft werden sollen. Gassen wandte sich damit auch gegen Äußerungen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der erklärt hatte, jeder könne eine Booster-Impfung bekommen und diese auch empfohlen hatte.

Spahn hatte zudem angeregt, für die Auffrischungsimpfungen die Impfzentren wieder aufzumachen. Das halten die Kassenärzte für unnötig. „Wir haben zehntausende Impfzentren, das sind die Praxen der Kollegen und Kolleginnen“, sagte Gassen. Die Politik solle dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen stimmen, damit sie arbeiten könnten. Demgegenüber sieht die Beschlussvorlage für die Gesundheitsministerkonferenz vor, dass die Länder die Impfzentren wieder aktivieren und dort Auffrischungsimpfungen anbieten.

Unterstützung erhält der Vorschlag von Spahn von Ärztepräsident Klaus Reinhardt, während der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, eine Wiederöffnung der Corona-Impfzentren ablehnt, wie er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Dienstag) sagte. Sie seien zehnmal so teuer wie das Impfen in den Arztpraxen, außerdem sei die Hemmschwelle für viele Menschen beim Hausarzt niedriger.

Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums sind aktuell zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland vollständig gegen Corona geimpft. Das sind 55,5 Millionen Menschen. Von den 24,1 Millionen Menschen, die über 60 Jahre alt sind, sind den Angaben zufolge gut 85 Prozent vollständig geimpft. 2,1 Millionen Menschen haben dieser Statistik zufolge bislang eine Auffrischungsimpfung erhalten.