Hunger breitet sich vor Winter in Afghanistan dramatisch aus

Hunger breitet sich vor Winter in Afghanistan dramatisch aus

Berlin, Kabul (epd). Zu Beginn der kalten Jahreszeit breitet sich der Hunger in Afghanistan dramatisch aus und erreicht das Niveau vom Jemen oder dem Südsudan. Wie aus einer am Montag veröffentlichten Analyse der UN-Landwirtschaftsorganisation (FAO) und des UN-Welternährungsprogramms (WFP) hervorgeht, hat aktuell fast die Hälfte der Bevölkerung in Afghanistan nicht genug zu essen, knapp 19 Millionen Menschen. Im November können den Schätzungen zufolge sogar schon fast 23 Millionen Männer, Frauen und Kinder von akutem Hunger betroffen sein.

Von akutem Hunger ist die Rede, wenn die Menschen zum Beispiel mit nur einer Mahlzeit am Tag auskommen müssen oder preiswerte Speisen essen, die zwar kurzfristig satt machen, aber keinerlei Nährstoffe enthalten. Die Gründe für die eskalierende Hungerkrise reichen von Dürren und Missernten über einen Schneemangel, der zu Wasserknappheit führte, bis hin zum andauernden Konflikt mit der Zerstörung von Straßen, Brücken und Häusern sowie der Vertreibung von rund 665.000 Menschen innerhalb des Landes.

„Die Menschen verloren wegen der Flucht ihre Felder und mussten ihre Tiere zurücklassen“, sagte Florian Luckner vom WFP in Kabul. Aber auch die gut ausgebildete Mittelschicht sei betroffen, weil über 70 Prozent der öffentlichen Ausgaben - etwa Gehälter von Lehrern, Beamten oder Ärztinnen - international finanziert worden seien. Mit dem Abzug der internationalen Streitkräfte und der Machtübernahme der Taliban Mitte August brachen diese Mittel weg. „Die Menschen verkaufen momentan auf den Märkten ihr liebstes Hab und Gut“, fügte Luckner hinzu. Als Beispiele nannte er Hochzeitskleider oder Küchengeräte.

Etwa eine Million Kinder sind den Angaben nach aktuell so schwer von Mangelernährung betroffen, dass sie in Lebensgefahr sind. Dabei steht der stets eisige afghanische Winter erst noch bevor. Luckner beobachtet einen „drastischen Anstieg der Verzweiflung“. Der UN-Plan für die humanitäre Hilfe ist den Angaben nach allerdings gerade einmal zu einem Drittel finanziert.