Sozialverbände-Bündnis fordert stärkere Anhebung der Hartz-IV-Sätze

Sozialverbände-Bündnis fordert stärkere Anhebung der Hartz-IV-Sätze
Sozialverbände appellieren an die Bundesregierung, die Hartz-IV-Sätze zum Jahreswechsel stärker zu erhöhen. Magere drei Euro mehr im Monat reichten nicht, um zumindest die Inflation auszugleichen. Das sei verfassungswidrig.

Berlin (epd). Ein Bündnis von Sozialverbänden fordert die noch amtierende Bundesregierung auf, die Hartz-IV-Leistungen zum kommenden Jahr stärker anzuheben. Die Verbände verlangten am Freitag in Berlin, dass die Preissteigerungen mindestens ausgeglichen werden müssten. Ein Rechtsgutachten stuft die geringe Erhöhung als nicht verfassungskonform ein. Der Bundesrat hat am Freitag die Verordnung beschlossen, wonach der Regelsatz für einen alleinstehenden Erwachsenen zum 1. Januar 2022 um drei Euro auf 449 Euro pro Monat angehoben wird.

Zu dem Appell an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) haben sich 15 Organisationen zusammengeschlossen, darunter der Paritätische Gesamtverband, die Diakonie, das Kinderhilfswerk und der Sozialverband VdK. "Es gilt umgehend zu handeln, um die versteckten Kürzungen bei den Ärmsten in unserer Gesellschaft zu stoppen”, heißt es in dem Appell. Die magere Anpassung der Regelsätze halte mit der Inflation nicht Schritt.

Die Regelsätze für Schulkinder und und Jugendliche erhöhen sich ebenfalls um je drei Euro auf 311 bzw. 376 Euro. Kleinkinder bis fünf Jahre bekommen 285 Euro und damit zwei Euro mehr als in diesem Jahr. Die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf beträgt im ersten Schulhalbjahr 104 Euro und für das zweite Schulhalbjahr 52 Euro. Ehe- oder Lebenspartner im gemeinsamen Haushalt bekommen 404 Euro, behinderte Menschen in stationären Einrichtungen erhalten im kommenden Jahr 360 statt bisher 357 Euro.

Ein Rechtsgutachten im Auftrag des Paritätischen Gesamtverbandes stuft die neuen Hartz-IV-Regelsätze als verfassungswidrig ein. Angesichts der Entwicklung der Lebenshaltungskosten verpflichte das Grundgesetz den Gesetzgeber, die absehbare Kaufkraftminderung für Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe oder Grundsicherung abzuwenden, heißt es in dem Gutachten. Die Darmstädter Juristin Anne Lenze nimmt darin Bezug auf die einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts.

Das Gericht hatte 2014 festgestellt, dass die Regelbedarfe an der untersten Grenze dessen liegen, was verfassungsrechtlich gefordert ist. Angesichts der Inflation läute die Erhöhung um drei Euro für Alleinstehende "neue Stufe der Unterschreitung des menschenwürdigen Existenzminimums” ein, bilanziert das Gutachten. Sollte der Gesetzgeber nicht aktiv werden, um die absehbaren Kaufkraftverluste abzuwenden, verstoße er damit gegen die Verfassung.

Die Inflationsrate in Deutschlands lag nach Angaben des Statistischen Bundesamts im August bei 3,9 Prozent. Drei Euro mehr beim Regelsatz entsprechen einer Erhöhung um knapp 0,7 Prozent. Der Paritätische Wohlfahrtsverband hatte bereits im April davor gewarnt, dass durch die Regeln zur Anpassung der Hartz-IV-Sätze den Bezieherinnen und -beziehern reale Kaufkraftverluste drohen könnten. Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Ulrich Schneider, sagte: "Der Vorgang ist nicht nur für die betroffenen Menschen hart und folgenschwer - er unterläuft den sozialstaatlichen Grundauftrag, das menschenwürdige Existenzminimum sicherzustellen.” Auch der Verweis auf die noch ausstehende Regierungsbildung könne kein Grund sein, untätig zu bleiben.