Paritätischer: Bundesregierung erreicht sozialpolitische Ziele nicht

Paritätischer: Bundesregierung erreicht sozialpolitische Ziele nicht

Frankfurt a.M. (epd). Der Paritätische Wohlfahrtsverband wirft der großen Koalition vor, in den vier Jahren ihrer Regierungszeit fast nichts gegen die soziale Spaltung der Gesellschaft unternommen zu haben. „Diese Bundesregierung ist vielfach weit davon entfernt gewesen, auch nur die selbst gesetzten Ziele einzulösen“, sagte der Vorsitzende des Paritätischen Gesamtverbandes, Rolf Rosenbrock, am Dienstag bei der Online-Vorstellung des Paritätischen Jahresgutachtens. Sein Verband sehe eine „Fülle von alarmierenden Befunden und sozialpolitischen Defiziten, die dringend überwunden werden müssen, wenn der soziale Zusammenhalt nachhaltig gestärkt werden soll“.

Rosenbrock kritisierte, dass viele der selbst gesteckten Ziele der Bundesregierung wenig ambitioniert gewesen oder verfehlt worden seien. Er zog insgesamt eine ernüchternde und bescheidene sozialpolitische Bilanz. So habe die Bundesregierung bei der Armutsbekämpfung zwar ihr Ziel erreicht, den Anteil der materiell erheblich benachteiligten Menschen unter dem Durchschnitt der EU-Staaten zu halten. „Dieser 'Erfolg' lässt sich jedoch nur verbuchen, da die Bundesregierung das Ziel entsprechend niedrig gesteckt hat“, so Rosenbrock.

Gleichzeitig müsse berücksichtigt werden, dass von 2011 bis 2019 der Anteil der von Einkommensarmut betroffenen Menschen nahezu stetig gewachsen sei (von 15 auf 15,9 Prozent). So galt 2019 fast jeder oder jede Sechste als einkommensarm. Auch werde Altersarmut zu einem immer größeren Problem in Deutschland, fügte der Vorsitzende hinzu. Erstmals seien mit 20,7 Prozent mehr als ein Fünftel der Rentnerinnen und Rentner von Armut betroffen. „Armut im Alter bedeutet Armut lebenslänglich. Damit dürfen wir uns nicht abfinden“, betonte Rosenbrock. Als einkommensarm gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat.

Weitere sozialpolitische Ziele, die die Bundesregierung nicht erreicht oder zu niedrig gesteckt habe, seien die Gleichstellung der Geschlechter durch die Reduzierung der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, die Förderung von fair bezahlten Arbeitsplätzen mit Ansprüchen an die Sozialversicherungen, die Beseitigung der ungleichen Einkommensverteilung sowie eine Reduzierung der Wohnkosten für in Armut lebende Menschen.

Positiv bewertete der Verband in seinem siebten Jahresgutachten zur sozialen Lage in Deutschland, dass die Bundesregierung in der Corona-Pandemie das Kurzarbeitergeld schnell ausgeweitet und bei längerem Bezug erhöht habe. Es sei anerkannt worden, „dass die Leistungen mindestens auf Dauer zu niedrig sind“, sagte Rosenbrock. Auch lobte er, dass die Hartz-IV-Vorschriften zumindest vorübergehend ausgesetzt wurden. „Das hat dazu beigetragen, die sozialen Folgen der Pandemie zumindest abzumildern“, hob Rosenbrock hervor.

Er kritisierte allerdings, dass die große Koalition Grundsicherungs-Empfängern in der Pandemie mit Gleichgültigkeit begegnet sei. Trotz gestiegener Lebensmittelkosten und weggebrochener Unterstützungsangebote wie kostenlosem Schulessen und Angebote der Tafeln habe es abgesehen von punktuellen Einmalzahlungen keine Leistung gegeben, die speziell auf deren Bedarf zugeschnitten gewesen sei, so Rosenbrock.