Bundestag gibt grünes Licht für Evakuierungseinsatz in Kabul

Bundestag gibt grünes Licht für Evakuierungseinsatz in Kabul
Opposition verlangt Aufklärung über Scheitern in Afghanistan
Während der Bundestag am Mittwoch nachträglich den Evakuierungseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan beschlossen hat, rückt schon das Ende dieser Operation näher. Kanzlerin Merkel versuchte im Bundestag, das Handeln der Regierung zu rechtfertigen.

Berlin (epd). Die dramatische Lage nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan hat am Mittwoch eine Sondersitzung des Bundestags in Berlin bestimmt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nutzte eine Regierungserklärung, um das Vorgehen der Bundesregierung zu verteidigen. Die Opposition übte dagegen scharfe Kritik an der Regierung, unter anderem an deren später Entscheidung zur Aufnahme von Helfern der Deutschen, und verlangte Aufklärung über das Scheitern des internationalen Militäreinsatzes. Das Parlament stimmte dem Evakuierungseinsatz der Bundeswehr zu, der zugleich schon wieder seinem Ende entgegensieht.

Am 31. August wollen die USA Afghanistan verlassen. Spätestens dann endet laut Bundesregierung auch der Einsatz der deutschen Soldatinnen und Soldaten. Wann genau, sagt sie nicht. Sie wisse es nicht und wolle darüber nicht spekulieren, sagte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) am Mittwoch in Berlin. Dies sei abhängig von der Koordinierung der internationalen Kräfte in der afghanischen Hauptstadt Kabul und von der Sicherheitslage, ergänzte sie. Nach ihren Worten verschärft sich die Gefahrenlage in Kabul. Befürchtet werden Terroranschläge.

Mit einer Mehrheit von 539 Stimmen beschloss der Bundestag den seit Montag vergangener Woche laufenden Evakuierungseinsatz. Die radikalislamischen Taliban waren seit Anfang Mai in rascher Geschwindigkeit immer weiter vorgerückt und hatten mit der Eroberung von Kabul vor mehr als einer Woche die Macht am Hindukusch übernommen. Seitdem bringen westliche Länder ihre Staatsangehörigen und weitere schutzbedürftige Menschen über den Flughafen Kabul außer Landes. Die Bundeswehr hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums bis Mittwochnachmittag 5.026 Menschen ausgeflogen.

In ihrer Regierungserklärung zum Auftakt der rund zweistündigen Aussprache im Bundestag erklärte Merkel, die Staatengemeinschaft wolle sich dafür einsetzen, dass möglichst viel von dem bewahrt werde, was durch den 20-jährigen Einsatz in Afghanistan für die Menschen erreicht worden sei. Dabei sprach sie sich auch für Gespräche mit den Taliban aus. „Die Taliban sind jetzt Realität in Afghanistan“, sagte sie. Diese Realität sei bitter, „aber wir müssen uns mit ihr auseinandersetzen“.

Das Auswärtige Amt bekräftigte indes seine Bemühungen, auch über den erwarteten Abzug der USA hinaus Menschen dabei zu helfen, das Land zu verlassen. Auch darüber gebe es Gespräche mit den Taliban.

Seit deren Machtübernahme versuchen Tausende Afghaninnen und Afghanen aus Furcht vor Verfolgung und Angriffen das Land zu verlassen. Am Dienstag hatte ein Sprecher der Aufständischen gedroht, afghanische Staatsbürger nicht mehr ausreisen zu lassen. Der arabische Sender Al-Dschasira berichtete am Mittwoch, die Taliban hätten zusätzliche Checkpoints aufgebaut. Menschen ohne die für die Ausreise notwendigen Dokumente kämen nicht mehr zum Flughafen.

In der Debatte im Bundestag machte die Opposition der Regierung schwere Vorwürfe. Es hätten Hunderte Menschen mehr evakuiert werden können, wenn man früher damit begonnen hätte, erklärte FDP-Fraktionschef Christian Lindner. Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock warf der Regierung vor, ihrer außenpolitischen Verantwortung nicht gerecht geworden zu sein, weil innenpolitische Ziele höher gewertet worden seien - nämlich weiter Menschen nach Afghanistan abschieben zu können.

Grüne, FDP und Linke forderten einen Untersuchungsausschuss nach der Bundestagswahl. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich plädierte für eine Enquetekommission, die weniger Möglichkeiten hat, Akten einzusehen und Zeugen zu befragen. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) betonte die moralische Verpflichtung Deutschlands, die Menschen in Afghanistan nicht im Stich zu lassen.