Lage am Flughafen Kabul weiter angespannt

Lage am Flughafen Kabul weiter angespannt
Bundeswehr setzt Evakuierungsflüge fort - Nur wenige Menschen an Bord
Rund 2.000 Menschen hat die Bundeswehr bisher aus Kabul ausgeflogen. Bei zwei Flügen am Samstag konnten aber jeweils nur wenige Schutzbedürftige in Sicherheit gebracht werden. Die Lage am Flughafen ist angespannt.

Berlin (epd). Die Bundeswehr setzt ihre Evakuierungsflüge aus der afghanischen Hauptstadt Kabul fort. Seit der Machtübernahme der Taliban wurden knapp 2.000 Personen ausgeflogen, wie Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) am frühen Samstagnachmittag in Berlin mitteilte. Ziel sei es weiter, so viele Schutzbedürftige wie möglich aus Afghanistan rauszuholen. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, sprach von einer unverändert schwierigen und „sehr dynamischen“ Situation am Flughafen Kabul.

Am späten Freitagabend deutscher Zeit landete eine Bundeswehr-Maschine aus Kabul mit 172 Menschen an Bord in der usbekischen Hauptstadt Taschkent, wie das Einsatzführungskommando der Bundewehr per Twitter mitteilte. Bei den nächsten beiden Flügen konnten allerdings insgesamt nur 15 Personen in Sicherheit gebracht werden. Bei den Ausgeflogenen handelt es sich um deutsche Staatsbürger, afghanische Helfer der Bundeswehr und deutscher Entwicklungshilfeorganisationen sowie Bürger weiterer Staaten.

Seit der Machtübernahme der Taliban ist die Sicherheitslage am Flughafen von Kabul extrem angespannt. Menschenmassen versuchen, auf das Gelände zu kommen. Das Auswärtige Amt sprach am Samstag von einer äußerst gefährlichen Lage, der Zugang zum Flughafen sei oft nicht möglich. „Nach unserem Kenntnisstand sind die Gates derzeit geschlossen“, twitterte das Außenamt am Mittag. Am und im Flughafen sind in den vergangenen Tagen zahlreiche Personen getötet und verletzt worden.

Inzwischen hat die Bundeswehr nach Angaben des Verteidigungsministeriums zwei Hubschrauber zur Unterstützung der Evakuierung nach Kabul gebracht. Diese würden nun einsatzbereit gemacht, erklärte Kramp-Karrenbauer. Über ihre Verwendung werde gemeinsam mit den internationalen Partnern vor Ort entschieden. Medienberichten zufolge sollen mit den Hubschraubern Menschen aus der Stadt Kabul an den Flughafen gebracht werden. Nach den Worten von Generalinspekteur Zorn fliegt die Bundeswehr mit Transportmaschinen nun auch Hilfsgüter für die Menschen auf dem Flughafengelände ein, darunter Wasser, Babynahrung und Drogerieartikel.

Für viele frühere deutsche Soldaten, die in Afghanistan gekämpft haben, ist die Machtübernahme der Taliban offenbar psychisch belastend. Anfragen nach psychologischer Beratung und Kontaktaufnahmen von Veteranen und Familienangehörigen hätten „in den vergangenen Tagen sprunghaft zugenommen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Bundes Deutscher Einsatzveteranen, David Hallbauer, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag).

Die dramatischen Ereignisse in Afghanistan hätten bei etlichen Veteraninnen und Veteranen zu einer Retraumatisierung geführt, erklärte Hallbauer. „Sie haben den Eindruck, dass ihr monatelanger, harter Einsatz - oft unter Todesangst - letztlich vergebens war, und Erfolge aus 20 Jahren Afghanistaneinsatz jetzt von den Taliban mit einem Schlag zunichte gemacht werden“, sagte Hallbauer,

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) forderte unterdessen mehr Hilfsgelder zur Versorgung afghanischer Flüchtlinge. Die von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) angekündigten 100 Millionen Euro für humanitäre Flüchtlingshilfe seien mit Blick auf die Herausforderungen „entschieden zu wenig“, sagte Müller den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). „Erforderlich ist eine internationale Sofortinitiative der G7 und G20 über fünf Milliarden Euro zur Stärkung der UN-Hilfsorganisationen in der Region, besonders des Welternährungsprogramms, von Unicef und des UN-Flüchtlingswerks UNHCR.“ Daran solle sich Deutschland mit 500 Millionen Euro beteiligen.

Schon jetzt gebe es in Afghanistan rund 2,5 Millionen Binnenvertriebene und Flüchtlinge, erklärte der Minister. „Die Taliban verbreiten Angst und Schrecken, verfolgen und morden“, sagte Müller. „Wir müssen von neuen Flüchtlingsströmen in benachbarte Länder ausgehen und jetzt bereits darauf reagieren.“ Es müsse das Ziel sein, afghanische Flüchtlinge heimatnah zu versorgen, zum Beispiel in Pakistan, Iran, der Türkei, Tadschikistan, Usbekistan.