Käßmann zu Afghanistan: "Nicht die Zeit für Schuldzuweisungen"

Afghanen versuchen verzweifelt auf dem Flughafen in Flugzeuge zu gelangen
© Uncredited/Verified UGC/AP/dpa
Hunderte Menschen liefen am16.08.2021 neben einer Boeing C-17 der United States Air Force her, die auf dem Rollfeld des Kabul International Airport startete. Theologin Margot Käßmann sagte, es brauche auch Trost angesichts dieser Bilder.
Käßmann zu Afghanistan: "Nicht die Zeit für Schuldzuweisungen"
20.08.2021
epd
epd-Gespräch: Franziska Hein

Frankfurt a.M. (epd). Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, hat nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban gefordert, jetzt den Opfern der gescheiterten Afghanistan-Strategie zu helfen. Es sei nicht die Zeit von Schuldzuweisungen, sondern die Zeit, „sich - soweit das möglich ist - um die Opfer zu kümmern“, sagte die Theologin dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Wir müssen dafür sorgen, dass diejenigen, die nun vor den Taliban fliehen, nicht zum Wahlkampfthema gemacht werden. Das wäre erbärmlich“, sagte sie.

Käßmann sagte, es brauche auch Trost angesichts der Bilder von Menschen, die sich auf dem Kabuler Flughafen verzweifelt an abfliegende Militärtransporter klammerten. „Wir können nicht viel tun. Aber wir können zumindest denjenigen die Hand reichen, die aus Afghanistan stammen, bei uns leben, und jetzt voller Angst um ihre Angehörigen sind“, sagte sie.

Käßmann verteidigte auch ihren Satz aus ihrer Neujahrspredigt als EKD-Ratsvorsitzende 2010 in der Dresdner Frauenkirche. „Nichts ist gut in Afghanistan“ - dieser Satz habe ihr damals „Kritik, Spott und Häme“ eingebracht. In diesen Tagen werde der Satz häufig zitiert. „Das ist leider bitter. Nicht für mich, sondern für die geschundenen Menschen in Afghanistan. Sie baden mit Leib und Leben aus, dass sie darauf vertraut haben, geschützt zu werden.“

Die Theologin warf erneut die Frage nach der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit von Auslandseinsätzen der Bundeswehr auf. „Sie liegt auf dem Tisch, finde ich. Schauen wir allein nach Mali“, so Käßmann. Sie hoffe darauf, dass man mit etwas Abstand, endlich darüber nachdenken könne, „wie Fantasie für den Frieden entsteht“. Frieden brauche nicht Waffengewalt, sondern Zeit, Gespräche und zivilen Friedensdienst. „Jetzt ist erstmal Demut angesagt angesichts dieser furchtbaren Lage der Frauen, Männer und Kinder in Afghanistan. Dann aber Kreativität!“, forderte sie.