Deutschland setzt Abschiebungen nach Afghanistan aus

Deutschland setzt Abschiebungen nach Afghanistan aus
Die Taliban sind in Afghanistan weiter auf dem Vormarsch. Angesichts der sich verschlechternden Sicherheitslage setzt Deutschland die Abschiebungen in das Land vorerst aus.

Berlin (epd). Die Bundesrepublik schiebt vorläufig keine Afghanen mehr ab. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärte am Mittwoch auf Twitter, Innenminister Horst Seehofer (CSU) habe entschieden, die Abschiebungen nach Afghanistan zunächst auszusetzen. Als Grund nannte er die aktuellen Entwicklungen der Sicherheitslage in dem Land. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl begrüßte die Entscheidung.

Anfang vergangener Woche war ein Abschiebeflug aus München mit sechs Männern an Bord wegen zweier Anschläge in Kabul abgebrochen worden. Das Innenministerium hatte angekündigt, die Abschiebung rasch nachholen zu wollen. Zuletzt hatte Deutschland vor allem Straftäter und Gefährder nach Afghanistan abgeschoben. Die afghanische Regierung hatte die EU-Mitgliedsstaaten bereits Mitte Juli um einen Abschiebestopp gebeten.

Seit dem Abzug nahezu aller internationaler Truppen hat sich die Sicherheitslage in Afghanistan stark verschlechtert. Seit dem Beginn einer Offensive Anfang Mai erobern die Taliban immer mehr Territorium. Am Mittwoch fiel mit Badachschan im Nordosten des Landes die neunte Provinz in die Hände der Aufständischen, wie der TV-Sender Tolo News berichtete. Zudem kontrollieren die Taliban nun die wichtigen Zollposten an der Grenze zu Tadschikistan und Usbekistan. Damit ist der Norden des Landes mit Ausnahme der Provinz Balkh unter Taliban-Herrschaft.

Unter dem Vormarsch leidet vor allem die Zivilbevölkerung. In der ersten Jahreshälfte sind den Vereinten Nationen zufolge mindestens 1.659 Zivilisten getötet und 3.524 Menschen verletzt worden. Die UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet warnte zudem vor schweren Verbrechen in von den Taliban kontrollierten Gebieten. So seien Frauen ausgepeitscht worden, wenn sie sich den Regeln der radikal-islamischen Miliz widersetzten.

Pro Asyl begrüßte den Abschiebestopp. Er sei „mehr als überfällig“, erklärte der Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation, Günter Burkhardt. „Es gibt keine sicheren Gebiete in Afghanistan, es gibt keinen internen Schutz vor der Taliban.“ Am Dienstag hatten 26 Organisationen und Menschenrechtsgruppen gefordert, Abschiebungen nach Afghanistan auszusetzen.